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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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wertvoller, kauften die Hotelgäste lieber originalverschweißte Exemplare. Wer mochte schon ein Buch, in dem sich ein fremder Mensch verewigt hatte?
    »Dort liegen sie«, sagte die Buchhändlerin und deutete auf einen ziemlich eindrucksvollen Stapel auf dem Tisch neben den Bestsellern. Bevor die ersten Kunden kamen, würde sie alles wieder weggepackt haben. Hoffte sie.
    Dijkerhoff nickte wohlwollend, schritt zu dem Tisch hin, zog einen klobigen Kolbenfüller hervor und begann sein Selbstbestätigungswerk. Einen Moment lang beobachtete ihn die Buchhändlerin mit einem Gefühl der Unsicherheit, denn sie fürchtete, sein Gedächtnis sei stärker als seine Eitelkeit. Doch zum Glück hatte Reimar Dijkerhoff völlig vergessen, dass er bei seiner letzten Mellauer Signierstunde auf dem hinteren Buchdeckel unterschrieben hatte, noch dazu an einer Stelle, die normalerweise vom Schutzumschlag verdeckt wurde. Darüber hatte es zwar eine erregte Auseinandersetzung mit der Buchhändlerin gegeben, doch zum Schluss war er ihrer Versicherung gefolgt, die Kunden bevorzugten eher versteckte Signaturen als auffällige Brandmale. So taugte der schwer verkäufliche Stapel an Dijkerhoff-Büchern wenigstens für zwei Unterschriftenaktionen.
    »Sagen Sie mal«, nuschelte der Philosoph, während er seinen ohnehin nicht kurzen Namen mit allen akademischen Graden über das ganze Vorblatt malte, »was haben Sie denn so von meinen werten Kollegen auf Lager?«
    »Fast nichts. Ich wollte keine englischen Wissenschaftstitel. Die anderen Gäste sind ja hier in den Ferien, nicht auf einem Seminar. Blieb nur der ›Digitale Schatten‹ von Professor Sterzel, der ist ja ziemlich populär.«
    »Und der Franzose?«
    »Professor Ranchin?«
    Dijkerhoff stieß einen Laut aus, der klar zu erkennen gab, dass diese Bejahung keinerlei Zustimmung zum Werk des Konkurrenten enthielt.
    »Habe ich nachgesehen«, beschwichtigte ihn die Buchhändlerin. »Es gibt nur eine deutsche Veröffentlichung in einem obskuren Kleinverlag, so dass mir die Bestellung sinnlos erschien. SolcheBücher trudeln meist erst mit wochenlanger Verspätung in Mellau ein.«
    »Und dann fällt die Veranstaltung auch noch kürzer als gedacht aus«, meinte Dijkerhoff verständnisvoll. »Da haben Sie Glück mit mir! Meine Bücher verkaufen sich ja ohne äußeren Anlass.«
    Die Buchhändlerin musste schlucken. »Gewiss«, nickte sie. »Sie sind eine wirkliche Ausnahme.«
    Der Philosoph beendete seine Wertvernichtungsaktion mit einer besonders schwungvollen Signatur und erhob sich. »Wundert mich übrigens überhaupt nicht, dass dieses Toggle-Mäuschen umgekommen ist«, sagte er. »Kam mir von Anfang an krankhaft hektisch vor. Und natürlich entsetzlich ungebildet. Wie heißt denn das Machwerk von Ranchin?«
    »Warten Sie mal.« Die Buchhändlerin tippte ein paar Worte in ihren Computer ein. »Da … Verschwundene Schriften des 18.   Jahrhunderts und ihre Folgen für den Revolutionsdiskurs der kommenden Jahrzehnte .«
    Dijkerhoff schüttelte den Kopf. »Nur verschwurbelter Mist. Genau, wie ich es erwartet habe. Und nun zu etwas wirklich Wichtigem: Der Sommelier hat mir verraten, dass eine Kiste mit alten Büchern aufgetaucht ist, die zum Verkauf stehen. Wo sind sie?«
    Er sah sich suchend um.
    »Im Kinderclub«, antwortete die Buchhändlerin wahrheitsgetreu.
    »Verstehe«, sagte Dijkerhoff schmallippig. »Sie wollen nicht die Bücher loswerden, sondern mich. Schon verstanden!«

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    54
   Mellau (Nordbalkon)
Mittwoch, 28.   Juli, 8   :   45
    »130   000«, sagte Holzwanger mit fester Stimme. Aus dem Speisesaal vernahm er helle Kinderstimmen, deren grellsten unzweifelhaft seinen eigenen Zwillingen gehörten. Danach ertönte ein ohrenbetäubendes Scheppern, wie es nur größere Silbertabletts hervorrufen konnten, die nacheinander zu Boden fielen. Dann begann ein anderes Kind laut zu kreischen. Das war Joshi. »150   000«, korrigierte sich der vierfache Vater. Am Ende des Tages würde von seinem Zugewinn ja doch nicht viel übrig bleiben.
    »Ich habe Ihnen die 100   000 nicht genannt, weil ich Ihnen nicht mehr gönnen würde«, entgegnete Weinberger ruhig. »Ich habe sie Ihnen genannt, weil sie genau die Grenze markiert, die wir nicht überschreiten können, ohne acht Ringrunden zu absolvieren.«
    Es sah so aus, als würde er die Wahrheit sagen. Holzwanger nickte, aber er verstand nicht.
    »Ringrunden, die Sie nicht überstehen würden! Und zwar aus genau den Gründen, die mich dazu

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