Tohuwabohu
»Nein?« fragte der Bischof. »Ist das nicht ungewöhnlich?«
»Die Totenuhr steckt drin. Man kann von Glück reden, wenn man lebend die Stufen raufkommt, wenn Sie mich fragen«, sagte der Wärter und schlurfte durch den Gang davon, um Luitenant Verkramp und Wachtmeister Els in den Sicherheitstrakt hineinzulassen. Das Verhör sollte jeden Augenblick beginnen. Obwohl er noch immer die Folgen seiner Verletzungen spürte, war Luitenant Verkramp entschlossen, bei dem Gefangenen lediglich die südafrikanischen Standardmethoden anzuwenden. »Ich schmier ihm Honig ums Maul«, sagte er zu Wachtmeister Els, »und gebe ihm das Gefühl, ich hätte Mitleid, und Sie können der Unnachsichtige sein und ihm drohen.«
»Darf ich die Elektroschock-Maschine benutzen?« fragte Els begierig.
»Er ist zu wichtig dafür«, sagte Verkramp, »und außerdem sollen Sie ihn nicht zu kräftig in die Mangel nehmen.«
»Was werden wir denn da machen?« fragte Els, der sich einfach nicht vorstellen konnte, wie man ohne ein bißchen Gewaltanwendung aus einem Unschuldigen ein Geständnis herausholen sollte.
»Halten Sie ihn wach, bis er umfällt. Das hat meines Wissens noch nie versagt.«
Luitenant Verkramp nahm hinter dem Schreibtisch Platz, befahl, den Gefangenen hereinzuführen, und setzte eine Miene auf, von der er meinte, sie ströme verständnisvolle Anteilnahme aus. Als der Bischof das Zimmer betrat, machte der Gesichtsausdruck des Luitenants auf ihn lediglich den Eindruck gequälter und bösartiger Feindseligkeit. In den folgenden Stunden erwies sich dieser erste Eindruck als womöglich noch zu optimistisch. Luitenant Verkramps Bemühungen, verständnisvolle Anteilnahme auszustrahlen, erweckten im Bischof die Überzeugung, mit einem sadistischen Homosexuellen, der an einer Überdosis starker Halluzinogene litt, allein in einen Raum gesperrt zu sein. Nichts sonst hätte ihm weder die merkwürdigen Vorschläge, die ihm der Luitenant machte, erklären können, noch die verdrehten Darstellungen seines Lebens, die er auf das Geheiß Verkramps hin bestätigen sollte. Alles, was der Bischof seiner Vorstellung nach getan hatte, wurde, durch die Augen Verkramps betrachtet, zu etwas vollkommen Entgegengesetztem.
Er sei zum Beispiel in Cambridge kein Student der Theologie gewesen. Vielmehr sei er, so erfuhr er, von einem Mann, den er einmal für einen führenden Professor des Anglo-Katholizismus gehalten hatte, der aber allem Anschein nach ein in Moskau geschulter Theoretiker war, in marxistischleninistischer Theorie unterwiesen worden. Und während sich die Stunden hinschleppten, wurde des Bischofs schwächliches Verhältnis zur Wirklichkeit noch schwächlicher. Alle Illusionen, die er ein Leben lang genährt hatte, entschwanden ihm und wurden durch neue Gewißheiten ersetzt, denen er auf Geheiß seines wahnsinnigen Fragestellers zuzustimmen hatte. Als sie schließlich bei den Ereignissen des vergangenen Tages ankamen, war der Bischof, der seit sechsunddreißig Stunden nichts mehr gegessen und sechs Stunden lang mit erhobenen Händen dagestanden hatte, zuzugeben bereit, daß er die gesamte südafrikanische Polizei habe ermorden wollen; falls er das gestände, solle ihm erlaubt werden, sich für fünf Minuten hinzusetzen.
»Ich schoß sie mit einem mehrläufigen Raketenwerfer nieder, den ich vom chinesischen Konsul in Daressalam erhielt«, wiederholte er langsam, während Verkramp das Geständnis niederschrieb.
»Gut«, sagte der Luitenant endlich, »das hört sich ja recht überzeugend an.«
»Das freut mich zu hören. Wenn es Ihnen jetzt nichts ausmacht, hätte ich gern etwas Zeit, um über meine Zukunft nachzudenken«, sagte der Bischof.
»Ich glaube, das können Sie ruhigen Gewissens uns überlassen«, sagte der Luitenant. »Es gibt jetzt nur noch eine Sache, die ich klargestellt wissen möchte. Warum haben Sie den Koch Ihrer Schwester erschossen?«
»Ich entdeckte, daß er ein CIA-Agent war«, sagte der Bischof, der mittlerweile die Richtung kannte, in der Verkramps Gehirn funktionierte. Schon lange hatte er begriffen, daß es keinen Zweck hatte, sich mit dem Mann anzulegen, und da Verkramps Phantasie sich offensichtlich an Spionagekrimis orientierte, meinte der Bischof, das sei die Sorte Erklärung, die er schlucken würde.
»Ach, wirklich?« sagte Verkramp und machte sich im Geiste eine Notiz, doch mal allen Piemburger Köchen auf den Zahn zu fühlen, um rauszukriegen, wie viele noch im Sold der Amerikaner stünden. Als Verkramp
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