Tohuwabohu
Problem mit dem Galgen, der zwanzig Jahre lang nicht mehr benutzt worden war, außer als willkommener Ort zum Aufbewahren von allem möglichen Gerumpel. Direktor Schnapps inspizierte den »Kopf« höchstpersönlich, und nach dem wenigen, was man über die Eimer und Gartenwalzen hinweg sehen konnte, die darin verstaut waren, kam er zu dem Schluß, daß das Gerüst nicht in dem Zustand sei, um jemanden daran aufzuhängen. Dasselbe war von den in Aussicht genommenen Henkern zu sagen. Der alte Wärter erbot sich, jeden, der zum Scharfrichter bestimmt würde, zu beraten, aber er weigerte sich beharrlich, persönlich bei der Exekution anwesend zu sein mit der Begründung, das Todeshaus sei unsicher, und die Versuche des Direktors, einen von den anderen Wärtern dazu zu überreden, den Job zu übernehmen, stieß auf keine Gegenliebe. Niemand, so schien es, war scharf darauf, Jonathan Hazelstone bei seinem letzten Gang zu begleiten, wenn das bedeutete, die morschen Stufen zum »Kopf« hinaufsteigen zu müssen.
In seiner Verzweiflung rief Direktor Schnapps den Amtlichen Scharfrichter in Pretoria an, um ihn zu fragen, ob er nicht für den Tag nach Piemburg runterkommen könne, aber der Henker war viel zu beschäftigt.
»Ganz ausgeschlossen«, sagte er, »an dem Tag habe ich zweiunddreißig Fälle, und außerdem hänge ich niemals Einzelpersonen. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen einzelnen Menschen gehängt habe. Meine Leute hänge ich immer in Gruppen zu sechst gleichzeitig, und auf alle Fälle habe ich an meinen guten Ruf zu denken. Ich hänge jedes Jahr mehr Leute als jeder andere Henker in der Welt, mehr als alle anderen Henker der freien Welt zusammen, um die Wahrheit zu sagen, und wenn erst mal bekannt würde, daß ich einen einzelnen hingerichtet hätte, dann würde ich in den Augen der Leute meine ganz persönliche Note einbüßen.« Als letzten Ausweg brachte Direktor Schnapps beim Staatsanwalt die Frage des Privilegs zur Sprache. »Ich sehe nicht ein, warum dieser Hazelstone eine Extrawurst bekommen soll«, sagte er. »Alle anderen werden in Pretoria gehenkt. Es scheint mir nicht richtig, daß ein Kerl, der einundzwanzig Polizisten umgelegt hat, das Recht auf Privilegien haben sollte, die gewöhnlichen Feld-Wald-und- Wiesen-Mördern verweigert werden.«
»Ich fürchte, da kann ich nichts machen«, sagte der Staatsanwalt zu ihm, »Gerichtsrat Schalkwyk hat zugestanden, daß das Privileg bestehen bleibt, und ich kann seine Entscheidung nicht ändern.«
»Aber wie ist denn die Familie Hazelstone überhaupt zu dem Recht gekommen, in Piemburg gehenkt zu werden?« Der Staatsanwalt blätterte in den Akten nach. »Das geht auf die Rede zurück, die Sir Theophilus zur Eröffnung des Gefängnisses im Jahre 1888 hielt«, berichtete er dem Gefängnisdirektor. »Im Verlauf dieser Rede sagte Sir Theophilus und ich zitiere : ›Die Todes- und die Prügelstrafe sind für die Ruhe und den Frieden in Zululand unabdingbar. Sie wecken in den eingeborenen Rassen das Gefühl für die angestammte Überlegenheit des weißen Mannes, und indem ich das Gefängnis für eröffnet erkläre, möchte ich zum Ausdruck bringen, daß es meine tiefste Überzeugung ist, daß die ganze Zukunft der weißen Zivilisation in diesem dunklen Erdteil von der häufigen Benutzung des Gerüsts, das zu sehen wir heute das große Vorrecht hatten, abhängt, ja man möchte fast sagen, an ihr hängt. Es wird ein düsterer Tag für dieses Land sein, wenn die Galgenklappe sich zum letzten Mal öffnet, und ich hoffe zu Gott, daß das ein Tag sein möge, den kein Mitglied meiner Familie erleben wird.‹ Zitat Ende.«
»Alles sehr löblich«, sagte der Direktor, »aber ich sehe immer noch nicht, daß das notwendigerweise bedeutet, wir hätten den Galgen zum ausschließlichen Gebrauch der Familie Hazelstone zu unterhalten.«
Der Staatsanwalt griff zu einem anderen Dokument. »Hier haben wir nun die Erklärung, die der selige Richter Hazelstone damals abgab, als alle Hinrichtungen nach Pretoria verlegt wurden. Der Richter wurde gefragt, was sein Vater seiner Ansicht nach in der Rede habe sagen wollen. Seine Antwort war, ich zitiere: ›Das ist doch absolut klar. Der Galgen und die Familie Hazelstone stehen und fallen gemeinsam. Mein Vater glaubte – und glaubte mit Recht –, daß unsere Familie für Zululand ein Beispiel setzen solle. Ich kann mir kein schöneres Beispiel denken, als daß wir unseren Privatgalgen im Piemburger Gefängnis
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