Tokatas Todesspur
keine Ratte, sondern dicht unter der Oberfläche schimmerte das bleiche Gesicht eines Toten…
***
Es war nicht meine erste Schiffsreise, aber diesen Proviantkahn würde ich wohl nie in meinem Leben vergessen. Ich hatte das Gefühl, daß er nur noch vom Rost zusammengehalten wurde. Da gab es fast keine Stelle mehr, die nicht überholt werden mußte. In einem Sturm wäre der Kahn sicherlich auseinandergebrochen.
Man hatte Suko und mir eine Kabine zugewiesen, die man nur als Loch bezeichnen konnte. Zudem war sie schmutzig. An den Wänden hing die Feuchtigkeit in Tropfen, und auch die Liegen waren feucht und klamm.
Dabei wollte ich mich niederlegen, denn die Überfahrt fand nicht bei ruhiger See statt.
Gestandene Matrosen hätten sicherlich nur über das Lüftchen gelacht, mir allerdings ging die Schaukelei nicht nur auf den Wecker, sondern schlug mir auch auf den Magen. Suko vertrug die Überfahrt besser. Ich hatte mich langgelegt und zählte jede Minute.
Irgendwann erschien der Kapitän, ein kleiner, ewig grinsender Typ in schmutziger Uniform. Er erzählte, daß die Insel bereits in Sicht wäre.
Ich setzte mich hin. Das hätte ich nicht so schnell tun sollen, denn mein Magen protestierte. Er begann zu wandern und befand sich plötzlich in der Kehle. Ich mußte wohl ziemlich bleich ausgesehen haben, denn der Kapitän grinste. »Ihre erste Überfahrt?« erkundigte er sich mit seiner hohen Fistelstimme.
»Nein, aber meine erste auf so einem Seelenverkäufer.«
»Sagen Sie das nicht, Mister. Das Schiff hat dreißig Jahre gehalten und wird auch noch weitere dreißig Jahre über die Meere fahren.«
»Wenn Sie das sagen.«
Suko hatte sich schon unser Gepäck geschnappt. Ich ging zur Tür und mußte den Kopf einziehen, Dann stand ich in einem Gang. Nach links mußten wir uns wenden. Eine Art Leiter führte zum Oberdeck hoch, über das der Wind pfiff. Der Kahn stampfte schwer durch die graugrünen Fluten. Die Wellen liefen von vorn an, wurden von dem Bug des Schiffes zerschnitten und gischteten trotzdem hoch. Als lange Schaumstreifen liefen sie über das Deck. Der Kapitän hatte uns nichts vorgemacht. Die Insel befand sich tatsächlich in Sichtweite. Wir traten an die Reling und schauten hinüber. Ich mit gemischten Gefühlen, denn mein Magen rebellierte. Als wir in ein Wellental fuhren und sich Gischtwolken über uns ergossen, konnte ich nicht mehr an mich halten und fütterte die Fische.
Suko trat sicherheitshalber ein wenig zurück, aber ich kotzte nicht gegen den Wind. Danach ging es mir etwas besser, Es war ein Bild, das man sowohl als auch betrachten konnte. Vielleicht gibt es Menschen, die sich an einer Hochhauskulisse ergötzen können, mir jedenfalls erging es nicht so. Ich fand die grauen Betonburgen schrecklich.
Und links davon befand sich der Zuchthauskomplex, der ebenfalls als trist und deprimierend zu umschreiben war. Nein, Freunde, das war wirklich kein schöner Anblick. Suko empfand ebenso, wie ich unschwer von seinem Gesicht ablesen konnte. Wer hinter diesen Zuchthausmauern dahinvegetierte, der mußte sich lebendig begraben vorkommen. Auch den ehemaligen Bewohnern der Häuser war es sicherlich nicht anders ergangen. Verständlich, daß sie die Insel fluchtartig verlassen hatten.
Von dem geheimnisvollen Wald und den Hügeln konnte ich nichts sehen.
Die Hochhauskulisse nahm mir den Blick, aber ich sah die Folgen der Müllkippe.
Über der Insel und fast noch höher als die Häuser stand eine ewige Rauchfahne, die aus dem Unrat drang, sich zu einem Pilz erweiterte und schließlich vom Wind zerfasert, aber nicht weggeweht wurde, da es im Innern der Kippe immer weiter kokelte und brannte. Wir liefen den Hafen an.
Hafen war vielleicht übertrieben. Es gab zwei große Felsen, die eine Meerenge bildeten. Die grauen, steinigen Riesen waren breit genug, um auch hochgehende Seen abwehren zu können. Die Verantwortlichen hatten sich den Pier etwas kosten lassen. Er bestand aus Beton.
Einige Männer hatten unser Kommen bereits bemerkt und sich auf dem Pier versammelt, wo die großen Poller standen. Um sie wurden die Taue gewickelt, die das Proviantschiff hielten. Einige Leute standen schon bereit.
Es dauerte noch zwanzig Minuten, bis wir in den Hafen eingelaufen waren.
Und nach weiteren zehn Minuten konnten wir endlich von Bord gehen.
Mit ziemlich wackligen Knien schritt ich die Gangway hinunter. Auch mein Magen hatte sich noch nicht richtig beruhigt, aber das würde sich im Laufe der Zeit geben. Bis
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