Tokatas Todesspur
dicken Mauern saßen, redeten kaum. Dieses Zuchthaus galt als ausbruchssicher. Und wenn es mal jemandem gelang, dann war es nicht weiter tragisch, denn die See fraß sie alle. Bei dem Wellengang und dem immer wehenden Wind schaffte es niemand, sich in Sicherheit zu bringen. Wieder vergingen Jahre. Der Zuchthausbetrieb spielte sich ein. Wer hierher kam, der hatte nie weniger als fünf Jahre abzusitzen. Viele starben in den kahlen Betonbauten. Fünfzig Prozent von ihnen auf gewaltsame Art und Weise, denn die Gefangenen drehten sehr schnell durch. Das Zuchthaus war brutaler als alle anderen in Japan. Wer hier vegetierte, war ein Verlorener, ein Ausgestoßener, der nie mehr seinen Weg zurückfinden würde. Dem Personal erging es fast ebenso. Nur wurden die Männer jeden Monat abgelöst, sie hatten dann vier Wochen Pause, konnten zu ihren Familien, bevor wieder ein neuer Dienst begann.
Natürlich waren einige Wärter bestechlich. Sie brachten den Gefangenen heimlich die Dinge mit, die sie brauchten. Unkorrektheiten dieser Art flogen auf, es gab einige Skandale, zweimal wechselte der Zuchthausdirektor, aber stoppen konnte man die Dinge nicht. Es wurde weiter geschoben und geschachert.
Niemand jedoch ahnte, daß die Gefangenen als auch die Wärter auf einem Pulverfaß saßen.
Emma-Hoo hatte nichts vergessen. Die Insel war einmal ein Schlachtfeld gewesen und sollte es nun wieder werden. Diesmal allerdings schrecklicher als zuvor.
Was tief im Gestein der Erde lauerte, stieg langsam in die Höhe und wurde zu einer Brutstätte des Grauens…
***
Ein lächelnder Mensch mit der Figur eines Sumo-Ringers empfing uns am Portal. Er öffnete die Tür weit und verneigte sich, als wir über die Schwelle schritten.
»Willkommen in unserem bescheidenen Heim, die Herren«, sagte er.
Bescheiden war wirklich übertrieben, denn die japanische Botschaft residierte in einer großen Villa, die einmal einem Herzog gehört hatte. Von dem Verkauf des Hauses lebte er in Saus und Braus irgendwo in der Nähe von Nizza.
Der Sumo-Ringer schloß die Tür. »Darf ich den Gentlemen die Mäntel abnehmen?« fragte er höflich.
Er durfte.
Dabei behielt Suko seine Lederjacke an. Ich überreichte dem Knaben meinen Burberry. Für Sekunden sah ich seine Hände und auch die Hornhaut an den Seiten. Wo dieser Mensch hinschlug, da wuchs bestimmt kein Gras mehr.
»Wenn Sie bitte noch ein klein wenig warten möchten? Der Herr Botschaftssekretär befindet sich in einer Besprechung, die jedoch bald beendet sein wird.«
Ich nickte. »Wir haben Zeit mitgebracht.«
»Das ist etwas sehr seltenes geworden heutzutage«, bekamen wir zur Antwort. »Möchten Sie vielleicht etwas trinken? Tee könnte ich Ihnen servieren.«
Ich schaute Suko, den Tee-Fan, an. Der schüttelte den Kopf. Ich hatte auch kein Verlangen nach Tee, so lehnten wir beide ab.
»Dann nehmen Sie bitte Platz«, wurden wir gebeten.
Das taten wir auch. Und zwar in bequemen Ledersesseln, die gar nicht japanisch aussahen, sondern sehr englisch. Überhaupt machte die gesamte Empfangshalle einen durchaus europäischen Eindruck, wenn nicht an einer Wand die japanische Flagge gehangen hätte, die uns bewies, wo wir uns befanden.
»Hoffentlich wird das kein Reinfall«, bemerkte Suko.
Ich hob die Schultern. »Mal sehen. An und für sich war Sir James davon überzeugt, daß es sich um eine heiße Spur handelt.« Die heiße Spur drehte sich um einen goldenen Samurai. Bisher wußten wir noch nicht, auf welcher Seite er stand. Jedenfalls nicht auf der Seite der Schwarzblüter, denn nach der japanischen Mythologie war er der Todfeind Tokatas, und der wiederum wurde auch der Samurai des Satans genannt und diente Dr. Tod, dem Führer der Mordliga. Das hört sich alles ein wenig kompliziert an, aber wenn man die Zusammenhänge kennt, ist es ganz einfach. Wir waren nicht nur hinter Tokata her, sondern auch hinter dem goldenen Samurai. Und nun hatten wir eine Spur. Wir waren gespannt. Zwei Minuten vergingen.
Ich schaute mich ein wenig um, sah die kostbaren Teppiche auf dem Boden und auch die Gemälde an den Wänden. Sie zeigten zumeist Landschaften. Auf einem Bild war der Fudschijama, der höchste Berg Japans, zu sehen. Sein Gipfel leuchtete schneeweiß. Von dieser kleinen Empfangshalle zweigten mehrere Türen ab. Sie waren rötlichbraun. Die Maserung des Holzes zeigte mir, daß es sich um Mahagoni handelte.
Nobel, nobel.
Und eine dieser Türen öffnete sich. Ein Mann betrat die Halle. Ein kleiner Mensch mit
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