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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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öffentlich, und Tatsu würde wissen, dass das nicht ernst gemeint war.
    «Ah, ein guter Vorschlag», erwiderte er, und ich wusste, dass er verstanden hatte. «Bis dann.»
    «Weißt du was, Tatsu, es mag verrückt klingen, aber manchmal sehne ich mich richtig nach den alten Zeiten in Vietnam. Mir fehlen diese völlig überflüssigen wöchentlichen Lagebesprechungen, an denen wir immer teilnehmen mussten – weißt du noch?»
    Der CIA-Chef der Sondereinsatztruppen, der die Besprechungen leitete, setzte sie stets auf 16.30 Uhr an, so dass er hinterher noch reichlich Zeit hatte, durch die Bordelle von Saigon zu ziehen. Tatsu hielt ihn zu Recht für eine Witzfigur, woraus er auch in der Öffentlichkeit keinen Hehl gemacht hatte.
    «Und ob ich das noch weiß», sagte er.
    «Aus irgendeinem Grund sehne ich mich zurzeit besonders danach», sagte ich, um ihm jetzt noch den Tag unseres Treffens durchzugeben. «Am liebsten würde ich morgen wieder so eine Besprechung erleben. Ist das nicht komisch? Auf meine alten Tage werde ich noch sentimental.»
    «So was kommt vor.»
    «Ja, wahrscheinlich. Ist schon so lange her. Ich find's schade, dass wir uns aus den Augen verloren haben. Tokio hat sich ungeheuer verändert, seit ich wieder hier lebe. Was hatten wir beide früher immer für einen Spaß zusammen, nicht? Toll fand ich die Kneipe, wo man aus Bechern trank, die die Mama-san selbst getöpfert hatte. Weißt du noch? Wahrscheinlich gibt's den Laden längst nicht mehr.»
    Das Lokal war in Ebisu. «Ja, die ist nicht mehr da», sagte er, und ich wusste, dass er verstanden hatte.
    «Tja, shoganei, nei» So ist das Leben. «Das war eine richtig gute Bar. Ab und zu muss ich noch dran denken.»
    «Ich rate dir dringend, dich zu stellen. Ich gebe dir mein Wort, dass ich dir helfe.»
    «Ich überleg's mir. Danke jedenfalls.» Dann legte ich auf, ließ die Hand auf dem Hörer liegen und hoffte inständig, dass Tatsu meine kryptische Botschaft auch wirklich verstanden hatte. Falls nicht, wusste ich nicht, was ich tun sollte.

21
    DAS LOKAL in Ebisu war eine typische japanische Izakaya, in die Tatsu mich mitgenommen hatte, als ich nach dem Krieg nach Japan zurückgekehrt war. Izakaya sind winzig kleine Bars in alten Holzhäusern und werden meistens von einem Mann oder einer Frau oder einem Paar geführt, in der Regel alterslose Gestalten, die über dem Lokal wohnen, auf dessen Existenz nur eine rote Laterne über dem Eingang hinweist. Izakaya bieten Erholung vom Stress im Büro oder Frust in der Ehe, von dem Gedränge in der U-Bahn und dem Lärm auf den Straßen. Bis tief in die Nacht gibt es Bier und Sake, und die Gäste, müde Männer auf der Suche nach einem Plätzchen zum Aufwärmen, wechseln sich praktisch an der Theke ab.
    Tatsu und ich waren früher oft zusammen in der Bar in Ebisu, aber als wir uns aus den Augen verloren, ging ich nicht mehr dorthin. Ich hatte zwar immer mal wieder auf einen Sprung vorbeischauen wollen, um zu sehen, wie es der Mama-san ging, aber aus Monaten waren Jahre geworden, und irgendwie kam ich einfach nie dazu. Und jetzt gab es die Bar nicht mehr, wie Tatsu gesagt hatte. Wahrscheinlich war sie abgerissen worden. In dem auf Hochglanz polierten, neuen Tokio war kein Platz mehr für solche Spelunken.
    Aber ich wusste noch, wo sie gewesen war, und dort würde ich auf Tatsu warten.
    Ich traf früh in Ebisu ein, um mich vorher noch ein wenig umschauen zu können. Das Viertel war nicht wieder zu erkennen. Viele von den Holzhäusern waren verschwunden. Es gab ein neues, glitzerndes Einkaufszentrum in der Nähe der U-Bahn-Station – wo früher ein Reisfeld gewesen war. Ich hatte Schwierigkeiten, mich zu orientieren.
    Von der U-Bahn ging ich nach Osten. Es war ein grauer, windiger Tag, und Sprühregen wehte vom wolkenverhangenen Himmel.
    Ich fand die Stelle, wo die Izakaya gewesen war. Das baufällige, aber gemütliche Haus war verschwunden, und an seiner Stelle stand jetzt ein steriler Supermarkt. Ich schlenderte langsam daran vorbei. Ich sah keine Kunden, und der einzige Mensch darin, ein gelangweilt dreinblickender Angestellter, las im Neonlicht eine Illustrierte. Keine Spur von Tatsu, aber ich war ja auch fast eine Stunde zu früh.
    Jetzt, da ich mit eigenen Augen gesehen hatte, dass das Lokal nicht mehr da war, wünschte ich mir, ich wäre nicht wieder hergekommen, aber ich hatte keine andere Wahl gehabt. Aber nicht nur das Lokal, verdammt, das ganze Viertel war praktisch verschwunden. Ich musste an das letzte

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