Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
Vom Netzwerk:
Mal denken, als ich in den Vereinigten Staaten gewesen war, vor etwa fünf Jahren. Ich war nach Dryden gefahren, dem einzigen Ort, der für mich so etwas wie Heimat geworden war. Ich war fast zwanzig Jahre nicht mehr dort gewesen, und ein Teil von mir wollte wieder eine Verbindung herstellen – zu irgendetwas.
    Von New York City aus war es eine vierstündige Fahrt mit dem Auto in Richtung Norden. Als ich in Dryden ankam, stellte ich fest, dass der Verlauf der Straßen so ungefähr das Einzige war, was noch wie früher war. Ich fuhr die Hauptstraße hinunter, und statt der Dinge, die ich in Erinnerung hatte, sah ich einen McDonald's, ein Benetton-Geschäft, ein Kinko's Copies, einen Subway-Sandwich-Laden, alles in funkelnagelneuen Gebäuden. Einige wenige Häuser erkannte ich wieder. Sie kamen mir vor wie die Ruinen einer untergegangenen Zivilisation, die aus dichtem, wucherndem Gestrüpp hervorlugten.
    Ich ging weiter und staunte über diese unbegreifliche Alchimie, der es einfach immer gelingt, aus einst schönen Erinnerungen schmerzliche zu machen.
    Ich bog in eine Seitenstraße ein. Hier war zwischen zwei gesichtslose Bauten ein kleiner Park gezwängt worden. Zwei junge Mütter standen an einer Bank, die Kinderwagen vor sich, und plauderten, wahrscheinlich über den neuesten Tratsch in der Nachbarschaft, über ihre Ältesten, die bald in die Schule kamen.
    Ich ging um das neue Einkaufszentrum aus Chrom und Glas herum, in dessen Mitte sich ein großer Platz befand. Es war ein schönes Gebäude, das musste ich zugeben. Ein paar lachende High-School-Kinder kamen an mir vorbei. Sie sahen entspannt aus, als gehörten sie hierher.
    Vom anderen Ende des Platzes sah ich eine Gestalt in einem alten, grauen Trenchcoat auf mich zukommen. Und obwohl ich das Gesicht nicht erkennen konnte, erkannte ich den Gang, die Haltung wieder. Es war Tatsu, der ein bisschen Wärme aus einer Zigarette sog und den nasskalten Tag ansonsten mit Verachtung strafte.
    Er erblickte mich und winkte, warf die Zigarette weg. Als er näher kam, sah ich, dass sein Gesicht tiefer zerfurcht war, als ich es in Erinnerung hatte, als wäre eine gewisse Müdigkeit irgendwie dichter unter die Oberfläche gestiegen.
    «Honto ni, shibaraku buri da na», sagte ich und verbeugte mich vor ihm. Wir haben uns lange nicht gesehen. Er reichte mir die Hand, und ich schüttelte sie.
    Er musterte mich, sah zweifellos die gleichen Falten in meinem Gesicht, die ich in seinem entdeckte, und vielleicht noch etwas anderes. Es war das erste Mal, dass Tatsu mich nach meiner Gesichtsoperation sah. Er wunderte sich bestimmt darüber, dass das Alter offenbar den Westler aus meinen Gesichtszügen verdrängt hatte. Und ich fragte mich, ob er hinter meinem veränderten Aussehen mehr vermutete als nur das Verstreichen der Zeit.
    «Rain-san, ittai, was hast du diesmal angestellt?», fragte er, während er mich weiter betrachtete. «Weißt du, was ich für Arger kriege, wenn jemand dahinter kommt, dass ich mich mit dir getroffen habe, ohne dich zu verhaften? Du bist der Hauptverdächtige für einen Doppelmord. Eins der Opfer hatte enge Kontakte zur LDP. Ich stehe unter einem enormen Druck, den Fall zu lösen, weißt du.»
    «Tatsu, willst du denn gar nicht sagen, dass du dich freust, mich zu sehen? Ich bin nämlich ein Mensch mit Gefühlen.»
    Er lächelte sein trauriges Lächeln. «Du weißt, dass ich mich freue, dich zu sehen. Aber ich hätte mir andere Umstände gewünscht.»
    «Wie geht es deinen Töchtern?»
    Das Lächeln wurde breiter, und er nickte stolz. «Sehr gut. Die eine ist Ärztin. Die andere Anwältin. Zum Glück haben sie die Intelligenz von ihrer Mutter, ne?»
    «Verheiratet?»
    «Die ältere ist verlobt.»
    «Glückwunsch. Dann wirst du ja bestimmt bald Großvater.»
    «Hoffentlich nicht zu bald», sagte er, und das Lächeln auf seinem Gesicht verschwand, und ich dachte, mit dem jungen Burschen, der bei einer von Tatsus Töchtern zu weit geht, würde ich um nichts in der Welt tauschen wollen.
    Wir gingen zurück durch das Einkaufszentrum, vorbei an der getreuen Nachbildung eines französischen Châteaus, das in seiner jetzigen Umgebung aussah, als hätte es Heimweh.
    Der Smalltalk war zu Ende, und ich kam zur Sache. «Yamaoto Toshi, der Vorsitzende der Shinnento, hat den Auftrag erteilt, dich aus dem Weg zu räumen», sagte ich zu ihm.
    Er blieb stehen und sah mich an. «Woher weißt du das?»
    «Tut mir Leid, das darf ich dir nicht sagen.»
    Er nickte. «Deine Quelle

Weitere Kostenlose Bücher