Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
Vom Netzwerk:
Natürlich, sie arbeitete ja bis spät in die Nacht und stand daher erst spät auf. Dann, kurz vor Mittag, hörte ich das Schließen der Außentür und das mechanische Klicken des Schlosses, und ich wusste, dass sie endlich unterwegs war.
    Ich zahlte die beiden Espressos, die ich getrunken hatte, ging auf die Omotesando-dori und spazierte in Richtung des Bahnhofs Harajuku. Ich wollte zu der Fußgängerüberführung in Harajuku. Von dort aus hatte ich einen Panoramablick, aber ich war selbst auch gut zu sehen und würde daher nicht lange stehen bleiben können.
    Das Timing war gut. Ich brauchte nur eine Minute auf der Überführung zu warten, als ich sie auch schon entdeckte. Sie kam aus der Richtung ihrer Wohnung und bog rechts in die Omotesando-dori ein. Von nun an war es leicht, ihr zu folgen.
    Sie hatte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und die dunklen Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen. Sie trug eine hautenge schwarze Hose, dazu einen schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt, und ging mit flotten Schritten, zielstrebig. Ich musste zugeben, dass sie gut aussah.
    Das reicht, sagte ich mir. Ihr Aussehen ist völlig unerheblich.
    Sie hatte eine Einkaufstasche von Mulberry dabei, dem englischen Lederwarenhersteller, wie ich an der unverwechselbaren Ahornfarbe erkannte. Es gab eine Filiale von Mulberry im Minami-Aoyama-Haus, und ich fragte mich, ob sie dort hinwollte, um etwas umzutauschen.
    Auf halbem Weg zur Aoyama-dori besuchte sie einen Paul-Stuart-Laden. Ich hätte ihr folgen und unsere zufällige Begegnung schon dort inszenieren können, aber ich war neugierig, wo sie sonst noch hinwollte, und beschloss zu warten. Ich ging in die Fouchet-Galerie auf der anderen Straßenseite, wo ich einige Gemälde bewunderte, die mir einen Blick auf die Straße gewährten, bis sie zwanzig Minuten später mit einer Paul-Stuart-Einkaufstüte wieder auftauchte.
    Ihre nächste Station war Nicole Farhi London. Diesmal wartete ich im Aoyama Flower Market auf sie, im Erdgeschoss des La-Mia-Gebäudes. Von dort ging es weiter in eine Reihe von kleinen, namenlosen Nebenstraßen der Omotesando, wo sie ab und zu in einer Boutique stöberte, bis sie die Koto-dori erreichte und nach rechts abbog. Ich folgte ihr in einem gewissen Abstand auf der anderen Straßenseite, bis ich sah, dass sie im Ciel Bleu verschwand.
    Ich ging in den Laden von J. M. Weston und sah mir die handgemachten Schuhe in den Auslagen an, und zwar so, dass ich das Ciel Bleu im Blick hatte. Ich dachte nach. Sie hatte anscheinend einen größtenteils europäischen Geschmack. Sie mied die großen Geschäfte, sogar die exklusiven. Offenbar bewegte sie sich in einem Kreis, der sie zurück zu ihrer Wohnung führen würde. Und sie hatte diese Mulberry-Tüte bei sich.
    Wenn sie bei Mulberry wirklich etwas umtauschen wollte, dann hatte ich die Chance, vor ihr dort zu sein. Es war ein Risiko, denn wenn ich dort auf sie wartete und sie kam nicht, würde ich sie verlieren. Aber falls ich schon da war, wenn sie hereinkam, würde die Begegnung zufälliger wirken und weniger wie das Ergebnis einer Verfolgung.
    Ich verließ den Laden von Weston und ging rasch die Koto-dori hoch, sah mir dabei die Schaufenster an, damit mein Gesicht von der Straßenseite abgewandt blieb, auf der Midori sich befand. Sobald ich weit genug vom Ciel Bleu entfernt war, überquerte ich die Straße und verschwand im Geschäft von Mulberry. Ich schlenderte zur Herrenabteilung, wo ich der Geschäftsführerin sagte, ich wolle mich nur ein wenig umsehen, und fing an, ein paar von den dort ausgestellten Aktentaschen zu begutachten.
    Fünf Minuten später betrat sie den Laden, genau wie ich gehofft hatte, nahm ihre Sonnenbrille ab und erwiderte das Irrashaimase, mit dem die Geschäftsführerin sie begrüßte, mit einer leichten Neigung des Kopfes. Ich behielt sie am Rande meines Gesichtsfeldes und nahm eine von den Aktentaschen in die Hand, als wolle ich das Gewicht prüfen. Aus diesem Winkel spürte ich, wie sie in meine Richtung sah und ihre Augen länger auf mir ruhen ließ, als es der Fall gewesen wäre, wenn sie nur einen flüchtigen Blick durch den Laden geworfen hätte. Ich musterte die Aktentasche noch einmal kurz, stellte sie dann zurück ins Regal und blickte hoch. Sie sah mich noch immer an, den Kopf leicht nach rechts geneigt.
    Ich blinzelte einmal, als wäre ich überrascht, und ging auf sie zu. «Kawamura-san», sagte ich auf Japanisch. «Was für eine nette Überraschung. Ich habe Sie letzten

Weitere Kostenlose Bücher