Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
die Vereinigten Staaten noch was von lernen. Dort kriegt der öffentliche Dienst doch nur die College-Nieten. Als würde man die kleinsten Maissamenkörner aussäen.»
«Mit ein paar von denen hab ich zusammengearbeitet», sagte Harry. «Jedenfalls, Kawamura war zunächst im Handels- und Wirtschaftsministerium, wo er Richtlinien für die japanische Elektronikbranche ausgearbeitet hat. Das Ministerium hat mit Firmen wie Panasonic und Sony zusammengearbeitet, um Japans Position in der Weltwirtschaft zu verbessern, und Kawamura hatte ganz schön viel Macht für einen jungen Burschen, der noch keine dreißig war. Dann ging es immer weiter die Karriereleiter hoch, erfolgreich, aber nicht überragend. In den achtziger Jahren hat er Richtlinien für Halbleitertechnik verfasst und dafür gute Noten bekommen.»
«Mittlerweile ist das alles ziemlich wertlos», sagte ich geistesabwesend.
Harry zuckte die Achseln. «Er hat sich profiliert, wo er nur konnte. Dann wurde er vom Handels- und Wirtschaftsministerium ins Kensetsusho versetzt, das alte Bauministerium, wo er als Staatssekretär für Land- und Infrastruktur blieb, als das Bauministerium mit dem Kokudokotsusho zusammengelegt wurde.»
Er hielt inne und fuhr sich mit den Fingern durch das widerspenstige Haar, was sein Aussehen auch nicht gerade verbesserte.
«Also, ich kann dir nicht viel mehr als biographische Anhaltspunkte liefern. Ich brauche eine genauere Vorstellung davon, wonach ich suche, sonst übersehe ich vielleicht etwas.»
«Harry, sei nicht so streng mit dir. Beschäftigen wir uns einfach weiter mit dem Problem, ja?» Ich hielt inne, weil mir klar war, dass ich mich auf gefährliches Terrain begab, aber ich wusste auch, dass ich das Risiko eingehen musste, wenn ich das Rätsel lösen wollte.
Ich erzählte ihm, was ich im Alfie und danach erlebt hatte und dass ich dem Fremden zu der Wohnung in Daikanyama gefolgt war.
Er schüttelte den Kopf. «Und du bist ausgerechnet Kawamuras Tochter über den Weg gelaufen? Unglaublich.»
Ich sah ihn prüfend an, nicht sicher, ob er mir glaubte. « Sekken wa semai yo», sagte ich. Die Welt ist klein.
«Es könnte auch Karma sein», sagte er mit unergründlicher Miene.
Herrgott, wie viel weiß der Junge wohl? « Ich wusste gar nicht, dass du an Karma glaubst, Harry.»
Er zuckte die Achseln. «Glaubst du, dass es da einen Zusammenhang zu dem Einbruch in Kawamuras Wohnung gibt?»
«Möglich. Der Typ im Zug hat irgendwas bei Kawamura gesucht. Konnte es nicht finden. Also bricht er in Kawamuras Wohnung ein. Auch da hat er es nicht gefunden. Jetzt denkt er, die Tochter hat es, weil sie jetzt vermutlich die Sachen ihres Vaters hat.»
Die Kellnerin brachte die beiden Yuzukiri. Ohne einen Laut kniete sie sich auf die Tatami, stellte die Teller auf den Tisch, rückte sie leicht nach irgendeinem strengen System zurecht, stand dann auf, verbeugte sich und ging.
Als wir mit dem Essen fertig waren, lehnte Harry sich nach hinten gegen die Wand und rülpste lange und leise. «Das war gut», gab er zu.
«Ich weiß.»
«Ich möchte dich was fragen», sagte er. «Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst.»
«Okay.»
«Was hast du mit der Sache am Hut? Warum interessiert dich das so? So kenne ich dich gar nicht.»
Ich überlegte, ob ich ihm sagen sollte, ich würde es für einen Kunden tun, aber ich wusste, dass er mir das nicht abkaufen würde.
«Einiges von dem, was passiert ist, reimt sich nicht so recht mit dem zusammen, was der Kunde mir erzählt hat», sagte ich. «Ich hab ein ziemlich mulmiges Gefühl.»
«So mulmig?»
Ich sah, dass er heute unerbittlich war. «Es erinnert mich an etwas, das mir vor langer Zeit passiert ist», sagte ich wahrheitsgemäß. «Etwas, das mir nie wieder passieren soll. Lassen wir es vorläufig dabei bewenden.»
Er hob kurz die Hände, Handflächen nach vorn, eine Kapitulationsgeste, beugte sich dann vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. «Also schön, dieser Typ, dem du gefolgt bist, wir können davon ausgehen, dass er in dem Apartmenthaus wohnt. In Daikanyama wohnen jede Menge Ausländer, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass in dem Haus mehr als ein knappes Dutzend wohnt. Unsere Ausgangslage ist also gar nicht schlecht.»
«Gut.»
«Die Mama-san hat gesagt, er hat sich ihr gegenüber als Reporter ausgegeben?»
«Ja, aber das hat nichts zu sagen. Ich glaube, er hat ihr einen Ausweis gezeigt, aber der kann natürlich gefälscht gewesen sein.»
«Vielleicht, aber
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