Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
einzige Sorge.
«Ich hoffe, Sie sind jetzt zufrieden», sagte er. «Verraten Sie mir, wohin wir fahren?»
Ich hatte mir gedacht, dass er das fragen würde. «Sind Sie verdrahtet, Holtzer?», sagte ich und beobachtete seine Augen. Er antwortete nicht. Wo kann das Mikro stecken?, dachte ich. Unter seinem T-Shirt hatte ich jedenfalls nichts ertastet.
«Nehmen Sie Ihren Gürtel ab», forderte ich ihn auf.
«Ich denke nicht dran, Rain. Das geht zu weit.»
«Nehmen Sie ihn ab, Holtzer. Ich mache hier keine Spielchen mit Ihnen. Ich bin kurz davor, Ihnen gleich hier und jetzt das Genick zu brechen, dann wären alle meine Probleme gelöst.»
«Na los, versuchen Sie's.»
«Sayonara, Arschloch.» Ich beugte mich zum Fahrer. « Tomatte kudasai. » Anhalten.
«Schon gut, schon gut, Sie haben gewonnen», sagte er und hob kapitulierend die Hände. «Im Gürtel ist ein Sender. Reine Vorsichtsmaßnahme. Nach Bennys bedauerlichem Unfall.»
Wollte er mir damit sagen, dass ich mir keine Sorgen machen musste, dass Benny völlig unwichtig war? « Iya, sumisamen», sagte ich zu dem Fahrer. « Itte kudasai.» Entschuldigung. Fahren Sie weiter.
«Schön zu sehen, dass Sie Ihre eigenen Leute noch immer so ungemein wichtig nehmen», sagte ich zu Holtzer. «Geben Sie mir den Gürtel.»
«Benny war keiner von meinen Leuten», sagte er und schüttelte ob meiner offensichtlichen Beschränktheit den Kopf. «Er hat uns genauso gelinkt, wie er Sie linken wollte.» Er zog seinen Gürtel ab und gab ihn mir. Ich hielt ihn hoch. Tatsächlich, da steckte ein winziges Mikro unter der Schnalle.
«Wo ist die Batterie?», fragte ich.
«Die Schnalle ist die Batterie. Nickelhydrid.»
Ich nickte, beeindruckt. «Wirklich gute Arbeit.» Ich kurbelte das Fenster hinunter und warf den Gürtel auf die Straße.
Er schnappte noch danach, kam aber eine Sekunde zu spät. «Verdammt, Rain, das war wirklich nicht nötig. Sie hätten ihn einfach abschalten können.»
«Zeigen Sie mir Ihre Schuhe.»
«Aber nur, wenn Sie die nicht auch noch aus dem Fenster werfen wollen.»
«Doch, falls sie auch verdrahtet sind. Ausziehen.» Er gab sie mir. Es waren schwarze Halbschuhe – weiches Leder und Gummisohle. Kein Versteck für ein Mikro. Innen waren sie warm und feucht von Schweiß, was darauf hindeutete, dass er sie schon eine Weile trug, und die Zehen hatten das Leder leicht ausgebeult. Es sah nicht danach aus, als hätten die Jungs vom Labor sie für einen speziellen Anlass präpariert. Ich gab sie ihm zurück.
«Zufrieden?», fragte er.
«Sagen Sie, was Sie zu sagen haben», erwiderte ich. «Ich habe nicht viel Zeit.»
Er seufzte. «Die Sache vor Ihrer Wohnung war ein Fehler. Sie hätte nicht passieren dürfen, und ich möchte mich persönlich dafür entschuldigen.»
Es war schon ekelhaft, wie aufrichtig er sich anhören konnte. «Ich höre.»
«Ich lehne mich hier wirklich weit aus dem Fenster, Rain», sagte er mit leiser Stimme. «Was ich Ihnen jetzt erzähle, ist top secret...»
«Das will ich auch schwer hoffen. Wenn Sie mir nur etwas zu erzählen haben, das ich auch in der Zeitung lesen kann, dann vergeuden Sie meine Zeit.»
Er blickte finster. «Fünf Jahre lang haben wir einen Spitzel in der japanischen Regierung gehabt. Einen Insider, jemanden, der Zugang zu allem hatte. Jemanden, der wusste, wo die Leichen im Keller liegen – und das meine ich nicht nur im übertragenen Sinn.»
Falls er auf eine Reaktion hoffte, so musste ich ihn enttäuschen, und er fuhr fort. «Im Laufe der Zeit haben wir von diesem Burschen immer mehr bekommen, aber nichts, was über fundierte Hintergrundinformationen hinausgeht. Nichts, womit wir Druck hätten ausüben können. Verstehen Sie, was ich meine?»
Ich nickte. Druck ausüben bedeutet in der Branche schlicht Erpressung.
«Der Kerl benimmt sich wie ein katholisches Schulmädchen, wissen Sie. Sie sagt stur Nein, also musst du dir was anderes einfallen lassen, denn du weißt, im Grunde will sie's auch.» Er grinste, die fleischigen Lippen blass. «Also, wir sind drangeblieben, jedes Mal ein Stückchen weitergekommen. Und schließlich, vor etwa sechs Monaten, ändert sich was an der Art, wie er sich weigert. Er sagt nicht mehr: ‹Nein, das mach ich nicht›, sondern plötzlich heißt es: ‹Nein, das ist zu gefährlich, ich könnte auffliegen.› Na, eben praktische Einwände.»
Das kannte ich. Gute Verkäufer, gute Unterhändler und gute Geheimdienstoffiziere jubeln innerlich, wenn praktische Einwände kommen.
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