Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
hielt eine Wagenlänge hinter uns.
Holtzer taxierte mich, versuchte abzuschätzen, was ich vorhatte. Für den Bruchteil einer Sekunde starrten wir einander in die Augen. Dann hechtete er auf mich.
«Es ist zu Ihrem eigenen Besten!», brüllte er und versuchte, seine Arme um meine Taille zu schlingen. Ich sah, wie die hinteren Türen der Limousine aufgingen und zwei stämmige Japaner mit Sonnenbrillen ausstiegen.
Ich versuchte, Holtzer wegzustoßen, aber er hatte die Hände hinter meinem Rücken ineinander verkrallt. Der Fahrer drehte sich um und schrie etwas. Ich verstand nicht genau, was.
Die beiden Japaner hatten ihre Türen zugemacht und näherten sich jetzt vorsichtig dem Taxi. Verflucht.
Ich legte meinen rechten Arm um Holtzers Hals und presste seinen Kopf gegen meine Brust. Dann schob ich den linken Arm zwischen meinen Körper und seinen Hals und suchte mit der Handkante nach seiner Halsschlagader. « Aum da! Aum Shinrikyo da!», schrie ich dem Fahrer zu. « Sarin!» Die Sekte Aum Shinrikyo hatte 1995 den Anschlag mit dem Giftgas Sarin auf die Tokioter U-Bahn begangen, und die Erinnerung daran kann noch immer Panik auslösen.
Holtzer brüllte irgendetwas gegen meine Brust. Ich beugte mich vor, setzte Oberkörper und Beine gleichsam wie einen Nussknacker ein. Ich spürte, wie er erschlaffte.
«Ei? Nan da tte?», fragte der Fahrer mit aufgerissenen Augen. Was sagen Sie da?
Einer von den Japanern klopfte auf der Beifahrerseite ans Fenster. « Ahm! Aunt da! Sarin da! Boku no tomodachi – ishiki ga nai! Ike! Kunima o dase!» Die Männer da! Die sind von Aum – die haben Sarin! Mein Freund ist bewusstlos! Fahren Sie los! Schnell! Es fiel mir wahrhaftig nicht schwer, die richtige Panik in die Stimme zu legen.
Vielleicht dachte er, ich würde Quatsch machen oder dass ich verrückt wäre, aber bei Sarin ging man nun mal kein Risiko ein. Er gab Gas, riss das Lenkrad herum und wendete ohne Rücksicht auf den Gegenverkehr mit quietschenden Reifen auf der Meiji-dori. Ich sah die Japaner zurück zu ihrem Wagen laufen.
«Isoide! Isoide! Byoin ni tanomu!» Schnell! Wir müssen zu einem Krankenhaus!
An der Kreuzung Meiji-dori und Waseda-dori überfuhr der Fahrer eine Ampel, die gerade auf Rot gewechselt hatte, bremste und bog schlingernd nach links in Richtung National Medical Center ein. Die Fliehkraft riss Holtzer von mir weg. Der Verkehr auf der Waseda-dori schloss sich gleich darauf hinter uns, und ich wusste, dass unsere Verfolger eine Minute feststecken würden, wenn nicht länger.
Der Bahnhof Tozai Waseda lag direkt vor uns. Zeit, dass ich ausstieg. Ich sagte dem Fahrer, er solle anhalten. Holtzer lag zusammengesunken gegen die Tür auf der Fahrerseite gelehnt, bewusstlos, aber er atmete. Ich hätte ihn gern wieder in den Würgegriff genommen und abserviert – ein Gegner weniger, der mir das Leben schwer machte. Aber ich hatte keine Zeit.
Der Fahrer protestierte und meinte, wir müssten meinen Freund ins Krankenhaus bringen, die Polizei rufen, aber ich wiederholte eindringlich, er solle anhalten. Er stoppte, ich gab ihm wie versprochen die andere Hälfte des Zehntausend-Yen-Scheins und legte noch einmal zehntausend drauf.
Ich nahm das Päckchen für Midori, sprang aus dem Taxi und rannte die Treppe zur U-Bahn hinunter. Falls ich warten musste, würde ich einen anderen Ausgang suchen und zu Fuß weitergehen, aber mein Timing war gut – eine Bahn der Tozai-Linie rollte gerade ein. Ich fuhr bis zur Station Nihonashi, stieg um in die Ginza-Linie und wechselte noch einmal an der Station Shinbashi Richtung Yamanote. Zwischendurch machte ich noch einen gründlichen GAG, und als ich am Bahnhof Shibuya durch die Drehkreuze eilte, wusste ich, dass ich fürs Erste in Sicherheit war. Aber sie hatten mich aufgestöbert, und der Augenblick würde nicht lange dauern.
16
EINE STUNDE SPÄTER erhielt ich Harrys Nachricht auf dem Pager, und wir trafen uns im Cafe Doutor, wie wir es zuvor vereinbart hatten. Er war schon dort, als ich eintraf.
«Was hast du herausgefunden?», sagte ich.
«Tja, das ist seltsam.»
«Was heißt ‹seltsam›?»
«Na, erstens, die CD hat einen ziemlich modernen Kopierschutz.»
«Kannst du ihn knacken?»
«Darum geht es nicht. Ein Kopierschutz ist etwas anderes als eine Verschlüsselung. Diese CD lässt sich nicht kopieren, nicht elektronisch versenden, nicht übers Internet verschicken.»
«Du meinst, man kann vom Original nur eine einzige Kopie machen?»
«Eine Kopie oder viele
Weitere Kostenlose Bücher