Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Kopien, das weiß ich nicht genau, aber entscheidend ist, man kann von der Kopie keine Kopie machen. In dieser Familie gibt es keine Enkel.»
«Und es gibt keinerlei Möglichkeit, sie übers Internet zu verschicken, in ein Bulletin Board zu laden, nichts dergleichen?»
«Nein. Wenn du das versuchst, werden die Daten verfälscht. Sie sind dann nicht mehr zu lesen.»
«Tja, das erklärt einiges», sagte ich.
«Was denn zum Beispiel?»
«Zum Beispiel, warum sie sich überhaupt mit CDs abgegeben haben. Warum sie die hier unbedingt wiederhaben wollen. Sie wissen, dass sie weder kopiert noch versendet wurde, also wissen sie auch, dass nur diese eine CD ihnen schaden könnte.»
«Stimmt.»
«Aber eins verstehe ich nicht. Warum hat derjenige, der für die Daten verantwortlich ist, die auf diese CD kopiert wurden, überhaupt zugelassen, dass eine Kopie gemacht wurde? Wäre es nicht besser, es gäbe gar keine Kopie? Wäre das nicht sicherer?»
«Sicherer schon, aber auch riskanter. Wenn der Master-CD etwas passiert, wären alle Daten futsch. Da ist es schon beruhigend, eine Sicherungskopie zu haben.»
Ich überlegte. «Was hast du noch rausgefunden?»
«Tja, wie du schon weißt, die CD ist verschlüsselt.»
«Ja.»
«Die Verschlüsselung ist seltsam.»
«Du wiederholst dich.»
«Schon mal was von Gitterreduktion gehört?»
«Ich glaube nicht.»
«Es ist eine Art Code. Eine Nachricht wird in einem Muster verschlüsselt, zum Beispiel dem symmetrischen Blumenmuster einer Tapete. Aber Tapetenmuster sind einfach – nur ein einziges zweidimensionales Bild. Ein komplexerer Code wäre ein Muster, das sich auf verschiedenen Detailebenen wiederholt, in multiplen mathematischen Dimensionen. Um den Code zu knacken, muss man herausfinden, nach welchem Grundschema sich das Gitter wiederholt – also quasi welches der Ursprung des Musters ist.»
«Ich kann's mir ungefähr vorstellen. Kannst du ihn knacken?»
«Ich bin mir nicht sicher. Ich hab in Fort Meade mit Gitterreduktionen gearbeitet, aber die hier ist seltsam.»
«Harry, wenn du das Wort noch einmal benutzt...»
«Schon gut, schon gut. Es ist seltsam, weil das Gitter offenbar ein musikalisches Muster ist, kein physikalisches.»
«Jetzt komme ich nicht mehr mit.»
«Es sind offenbar Musiknoten darüber gelegt – mein optisches Laufwerk hat die CD als Musik-CD erkannt, nicht als Daten-CD. Das Muster ist ungewöhnlich, aber sehr symmetrisch.»
«Kannst du den Code knacken?»
«Ich hab's versucht, aber bislang ohne Erfolg. Ehrlich gesagt, John, das hier ist nicht mein Gebiet.»
«Nicht dein Gebiet? Du warst jahrelang bei der NSA, da müsste doch alles dein Gebiet sein.»
Er wurde rot. «Ich meine nicht die Verschlüsselung. Ich meine die Musik. Ich bräuchte einen Musiker, der mir da weiterhilft.»
«Einen Musiker», sagte ich.
«Ja, einen Musiker. Ich meine, jemand, der Musik lesen kann, möglichst jemand, der selbst welche schreibt.»
Ich sagte nichts.
«Ich könnte ihre Hilfe wirklich gebrauchen», sagte er.
«Lass mich drüber nachdenken», erwiderte ich mit einem beklommenen Gefühl.
«Okay.»
«Was ist mit den Handys? Irgendwas rausgefunden?»
Er lächelte. «Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr fragen. Sagt dir Shinnento was?»
«Ich weiß nicht genau», antwortete ich und überlegte, wo ich den Namen schon mal gehört hatte. «Irgendwas mit Neujahr?»
«Shinnen, Glaube oder Überzeugung, nicht Neujahr», sagte er und malte mit einem Finger die entsprechenden Kanji -Zeichen in die Luft. «Das ist eine politische Partei. Der letzte Anruf des Kendoka ging an die Parteizentrale in Shibakoen, und die Nummer ist in beiden Handys gespeichert.» Er lächelte, offenbar voller Vorfreude auf das, was er als Nächstes sagen wollte. «Und falls das noch nicht als Beweis ausreicht, dass da eine Verbindung besteht, die Partei hat auch die Telefonrechnung für den Kendoka bezahlt.»
«Harry, du erstaunst mich immer wieder. Erzähl mir mehr.»
«Also schön. Shinnento wurde 1978 von einem Typen namens Yamaoto Toshi gegründet, der noch immer Parteivorsitzender ist. Yamaoto ist Jahrgang 1949, der einzige Sohn einer bekannten Familie, die ihren Stammbaum bis zurück auf die Samurai verfolgen kann. Sein Vater war Offizier in der kaiserlichen Armee, zuständig für die Nachrichtenverbindung zu den Besatzungstruppen, und hat nach dem Krieg eine Firma gegründet, die tragbare Kommunikationsgeräte herstellte. Um ins Geschäft zu kommen, hat der Vater die
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