Tokio Killer - 02 - Die Rache
dieser Junge sich mit seinem Verdacht an mich gewandt hat», sagte ich.
«Und dass du zu mir gekommen bist. Ich danke dir dafür.»
Ich schüttelte den Kopf, sagte dann: «Was weißt du über Crepuscular?»
«Nicht mehr als das, was Kanezaki uns erzählt hat.»
«Die Politiker, die von dem Programm profitieren – arbeitest du mit welchen von ihnen zusammen? Vielleicht mit denen, die nicht auf der Daten-CD waren?»
«Mit einigen von ihnen.»
«Was ist passiert? Durch die CD hast du erfahren, dass sie nicht in Yamaotos Netzwerk waren. Und dann?»
«Habe ich sie gewarnt. Ihnen einfach mitgeteilt, was ich über Yamaotos Methoden weiß und wer von ihnen zu seinen Marionetten gehört. Das hat sie zu erheblich klügeren und schwierigeren Zielen gemacht.»
«Und du wusstest, dass sie von der CIA Geld genommen haben?»
«Von einigen wusste ich es, nicht unbedingt von allen. In meiner Position kann ich nur mithelfen, sie gegen Yamaotos Erpressungsmethoden zu schützen. Aber Kanezaki hat ganz Recht damit, dass auch ehrliche Politiker in Japans auf Geld aufgebautem politischen System vor allem Bares brauchen, um es mit Kandidaten aufnehmen zu können, die Yamaoto unterstützt. Und das kann ich ihnen nicht bieten.»
Wir gingen wortlos eine Weile weiter. Dann sagte er: «Ich gebe zu, ich war überrascht zu erfahren, dass diese Leute so naiv sind, Quittungen für CIA-Auszahlungen zu unterschreiben. Ich mache mir Vorwürfe, weil ich ihre Leichtgläubigkeit unterschätzt habe. Ich hätte es mir denken können. Politiker sind als Menschenschlag erstaunlich dumm, selbst wenn sie nicht käuflich sind. Wäre es anders, hätte Yamaoto weitaus größere Schwierigkeiten, sie zu kontrollieren.»
Ich überlegte einen Moment. «Entschuldige die Frage, Tatsu, aber ist das alles nicht bloß reine Zeitverschwendung?»
«Warum sagst du das?»
«Weil, selbst wenn diese Leute ein paar Ideale haben, selbst wenn du sie vor Yamaoto schützen kannst, selbst wenn sie irgendwie an Geld rankommen, weißt du doch, dass du letztlich nichts ändern wirst. Politiker sind in Japan reine Dekoration. Die Bürokraten haben das Heft in der Hand.»
«Unser System ist eigenartig, nicht wahr?», sagte er. «Eine beunruhigende Mischung aus heimischer Geschichte und Intervention aus dem Ausland. Die Bürokraten sind mächtig, gewiss. Ihrer Funktion nach sind sie die Nachfahren der Samurai, und zwar mit allem, was diese Abstammung mit sich bringt.»
Ich nickte. Nach der Meiji-Restauration im Jahre 1868 wurden die Samurai zu Dienern des Kaisers, der, wie man glaubte, göttlichen Ursprungs war. Diese Verbindung verschaffte den Samurai enormes Ansehen.
«Während des Krieges wurde den Bürokraten die Verantwortung für Industrie und Wirtschaft übertragen», fuhr Tatsu fort. «Die amerikanische Besatzungsmacht hielt das System aufrecht, damit die USA mit Hilfe der Bürokratie herrschen konnten und nicht mit Hilfe gewählter Politiker. Das alles führte zu noch mehr Ansehen, noch mehr Macht.»
«Ich sage immer, die Herrschaft der Bürokraten in Japan ist eine Form des Totalitarismus.»
«Das stimmt. Aber mit dem Unterschied, dass es keine Big-Brother-Figur gibt. Das System fungiert vielmehr selbst als Big Brother.»
«Das meine ich ja. Und was gewinnst du dadurch, dass du eine Hand voll gewählter Politiker schützt?»
«Im Augenblick vielleicht nicht viel. Heute agieren die Politiker hauptsächlich als Vermittler zwischen Bürokraten und Wählern. Ihre Aufgabe ist es, ihren Wählern das größtmögliche Stück von dem Kuchen zu sichern, den die Bürokraten kontrollieren.»
«Wie Lobbyisten in den USA.»
«Ja. Aber die Politiker sind gewählt. Die Bürokraten nicht. Das bedeutet, dass die Wähler zumindest eine theoretische Kontrolle ausüben. Wenn sie Politiker wählen würden, die den Auftrag haben, die Bürokratie in ihre Schranken zu weisen, würden die Bürokraten nachgeben, denn ihre Macht ist abhängig von ihrem Ansehen, und sich einer klaren politischen Meinung im Land zu widersetzen würde dieses Ansehen gefährden.»
Ich sagte nichts. Ich verstand, was er meinte, aber ich fürchtete, sein Plan sei so langfristig angelegt, dass er letztlich zum Scheitern verurteilt war.
Wieder gingen wir eine Weile wortlos weiter. Dann blieb er stehen und sah mich an.
«Ich möchte, dass du dich ein wenig mit Dienststellenleiter Biddle unterhältst», sagte er.
«Liebend gern», erwiderte ich. «Kanezaki meint, dass Biddle überrascht war, als er von
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