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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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unauffällig die Kleidung zu wechseln. Dann ein Laden mit Scherzartikeln, wo ich eine Horrorperücke und einen Satz falsche, verfault aussehende Zähne kaufte. Endstation war ein Geschäft mit Verpackungsmaterial, wo ich eine Fünfundzwanzig-Meter-Rolle durchsichtiges Packband besorgte. Shinjuku, dachte ich, wie in einem Werbesong. Alles was das Herz begehrt.
    Dann verkroch ich mich in einem anderen Business-Hotel, diesmal im Ueno. Ich stellte den Wecker auf Mitternacht und schlief ein.
    Als der Wecker klingelte, stand ich auf und zog mir die lange Unterwäsche unter die Kleidung. Den Schlagstock befestigte ich mit zwei Streifen Sporttape an meinem Handgelenk. Ich machte das Handtuch nass und wrang es aus, dann steckte ich es zusammen mit den anderen Sachen in eine Tüte und ging nach draußen zur U-Bahn-Haltestelle, wo ich mir eine Telefonzelle suchte. Von meinem ersten Abend im Damask Rose hatte ich noch immer die Karte. Ich wählte die Telefonnummer, die darauf stand.
    Ein Mann meldete sich. Vielleicht war es Rotgesicht, aber sicher war ich mir nicht.
    «Hai, Damask Rose», sagte die Stimme. Im Hintergrund hörte ich Musik dudeln, und ich stellte mir die Tänzerinnen auf den beiden Bühnen vor.
    «Hallo», sagte ich auf Japanisch mit leicht verstellter, hellerer Stimme. «Könnten Sie mir sagen, welche von den Damen heute Abend da sind?»
    Die Stimme leierte ein halbes Dutzend herunter. Naomi war dabei. Und Yukiko.
    «Super», sagte ich. «Bleiben auch alle bis drei Uhr?»
    «Hai.» Ja.
    «Super», sagte ich erneut. «Dann bis später.»
    Ich legte auf.
    Ich nahm ein Taxi nach Shibuya, machte dann zu Fuß einen GAG nach Minami Aoyama. Ich kannte Yukikos Adresse, weil ich sie und Naomi noch in Osaka per Internet überprüft hatte, und ich fand das Haus, in dem sie wohnte, ohne Probleme. Der Haupteingang lag zur Straße hin. An einer Seite des Gebäudes war die Einfahrt zu einer Tiefgarage, ein Rolltor mit einem Magnetkartenleser davor. Ansonsten entdeckte ich keine Möglichkeit, hinein- oder hinauszukommen.
    Ich dachte an Yukiko in ihrem weißen BMW M3. Falls die Nacht, als ich sie darin gesehen hatte, keine Ausnahme bildete, fuhr sie normalerweise mit dem Wagen zur Arbeit. Heute würde sie nach Feierabend nicht zu Harry fahren, und Murakami war im Augenblick entweder für sie unerreichbar oder er hatte ihr gesagt, sie solle sich von ihm fernhalten. Aller Voraussicht nach würde sie also irgendwann nach drei Uhr aufkreuzen.
    Ich ging zu einem Haus in der Nähe, das von seinem Nachbarn durch eine lange, schmale Gasse getrennt war. Dort verschwand ich in einer dunklen Ecke und öffnete meine Wundertüte. Ich holte das Eau de Cologne heraus und rieb mir eine ordentliche Menge davon an die Nasenlöcher. Dann rollte ich die Tüte zusammen, verstaute sie dort und ging das kurze Stück nach Roppongi.
    Ich brauchte nicht lange, um einen Obdachlosen zu finden, der etwa die richtige Größe hatte. Er saß im Schatten einer der Überführungen der Roppongi-dori, neben einer Hütte aus Pappkartons und Zeltplanen. Er trug eine braune Hose, die ihm zu weit war und von einem zerschlissenen Gürtel gehalten wurde, ein verdrecktes, kariertes Button-down-Hemd und einen zerfransten Strickpullover, der zwei Generationen zuvor vielleicht rot gewesen war.
    Ich ging zu ihm. «Fuku o kokan site kurenai ka?», fragte ich und zeigte auf meine Brust. Möchten Sie die Kleidung tauschen?
    Er sah mich lange an, als wäre ich nicht ganz bei Trost. «Nan-datte?», fragte er. Was zum Teufel soll das?
    «Das ist mein Ernst», sagte ich auf Japanisch. «So eine Gelegenheit gibt’s nur einmal im Leben.»
    Ich zog die Nylonwindjacke aus, die ich anhatte, und reichte sie ihm. Er nahm sie, blickte ungläubig drein, und fing dann wortlos an, seine Lumpen abzulegen.
    Zwei Minuten später trug ich seine Sachen. Trotz des penetranten Eau-de-Cologne-Duftes war der Gestank entsetzlich. Ich bedankte mich und ging zurück nach Aoyama.
    Wieder in der Gasse angekommen, zog ich die Horrorperücke über und sicherte sie mit der Wollmütze, dann schob ich mir die falschen Zähne in den Mund. Ich zündete eine Zigarette an, ließ sie herunterbrennen und verrieb mir eine Mischung aus Asche und Spucke im Gesicht. Ich machte noch ein Streichholz an und begutachtete mich kurz in dem kleinen Spiegel, den ich am Schlüsselbund trage. Ich erkannte mich kaum wieder und lächelte ein zahnfäuliges Lächeln.
    Ich streifte die Handschuhe über und ging zu der Garageneinfahrt

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