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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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meine Freundin», wich er der Frage aus.
    «Wenn sie so viel von deiner Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, dass du bis Sonnenuntergang im Bett bleibst, darf ich das Wort doch wohl der Einfachheit halber benutzen.»
    Er blickte mich an, in die Enge getrieben.
    «Ist sie deine Freundin?», fragte ich noch einmal.
    Er wandte den Blick ab. «Schätze, ja.»
    Ich hatte ihn nicht in Verlegenheit bringen wollen. «Harry, ich frage das nur, weil man, wenn man jung ist, manchmal denkt, man kann beides haben. Wenn du dich nur amüsieren willst, brauchst du ihr gar nichts zu erzählen. Dann solltest du ihr gar nichts erzählen. Aber wenn mehr aus der Sache wird, dann musst du ernsthaft nachdenken. Darüber, wie eng deine Beziehung zu ihr werden soll, wie wichtig dir deine Hobbys sind. Du kannst nämlich nicht mit einem Bein im Tageslicht und mit dem anderen im Dunkeln stehen. Glaub mir. Das funktioniert nicht. Nicht auf lange Sicht.»
    «Du brauchst dir keine Sorgen zu machen», sagte er. «Ich bin nicht blöd, weißt du.»
    «Alle Verliebten sind blöd», sagte ich. «Das gehört zu diesem Zustand einfach dazu.»
    Ich sah, dass er wieder rot anlief, weil ich von Verliebten gesprochen hatte. Aber es war mir egal, wie er selbst seine neuen Gefühle bezeichnete. Ich wusste, wie es war, abgeschottet, isoliert zu leben, und wenn dann plötzlich unfassbarerweise die schöne Frau, nach der du dich immer gesehnt hast, deine Gefühle erwiderte. Es veränderte deine Prioritäten. Verdammt, es veränderte alles.
    Ich lächelte verbittert, als ich an Midori denken musste.
    Dann, als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte er: «Ich wollte dir schon die ganze Zeit was sagen. Aber ich wollte es persönlich tun.»
    «Klingt nach was Ernstem.»
    «Vor ein paar Monaten habe ich einen Brief bekommen. Von Midori.»
    Ich trank den Lagavulin aus, ehe ich antwortete. Wenn der Brief vor so langer Zeit gekommen war, würde es wohl nichts ausmachen, wenn ich mir ein paar Sekunden Zeit ließ, mir zu überlegen, wie ich reagieren wollte.
    «Sie kannte deine Adresse …», fing ich an, obwohl mir das völlig klar war.
    Er zuckte die Achseln. «Sie war schließlich damals in meiner Wohnung, wegen der musikalischen Aspekte der Gitterverschlüsselung.»
    Mir fiel auf, dass Harry sogar jetzt noch Wert darauf legte, Midoris exakte Aufgabe bei jener Operation zu erwähnen, um deutlich zu machen, dass er durchaus in der Lage gewesen wäre, die Verschlüsselung allein zu knacken. In solchen Dingen war er empfindlich. «Richtig», sagte ich.
    «Sie wusste meinen Nachnamen nicht. Der Brief war nur an Haruyoshi adressiert. Gott sei Dank. Sonst hätte ich glatt umziehen müssen, was mir ganz schön gegen den Strich gegangen wäre.»
    Wie alle, die auf Geheimhaltung Wert legen, sorgte Harry mit äußerster Akribie dafür, dass es nicht die geringste Verbindung zwischen seinem Namen und seiner Wohnung gab – nicht auf Rechnungen von den Stadtwerken oder vom Kabelfernsehen, nicht einmal auf Mietverträgen. Eine solche Anonymisierung erforderte einige Mühe, so zum Beispiel die Gründung von widerrufbaren Trusts, GmbHs und ähnlichen juristischen Personen, und das alles konnte im Nu für die Katz gewesen sein, wenn deine Tante Keiko dich zu Hause besuchte, deine Adresse notierte und beschloss, dir zum Dank einen Blumenstrauß zu schicken. Der Blumenladen gäbe deinen Namen und deine Adresse in den Computer ein, der die Informationen dann an Marketingfirmen weiterreichte, und die wiederum an Gott weiß wen, und schon konnte jeder, der über rudimentäre Hacker-Kenntnisse verfügte oder über ein bisschen Geschick in psychologischer Manipulation, rauskriegen, wo du wohnst. Wolltest du deine Anonymität wiederhaben, bliebe dir nichts anderes übrig, als umzuziehen und von vorn anzufangen.
    Wenn man dir nur einen gewöhnlichen Brief geschickt hätte, dann wäre der einzige Mensch, der die Verbindung herstellen könnte, natürlich der Postbote. Ob das Risiko akzeptabel war, musste jeder selbst entscheiden. Für mich wäre es nicht akzeptabel. Für Harry vermutlich auch nicht. Aber wenn nur sein Vorname auf dem Umschlag gestanden hatte, konnte wahrscheinlich nicht viel passieren.
    «Von wo kam der Brief?», fragte ich.
    «New York. Schätze, sie lebt da.»
    New York. Wo Tatsu sie hingeschickt hat, nachdem er ihr gesagt hatte, ich sei tot, um sie vor dem Verdacht zu schützen, dass sie vielleicht noch immer die Computer-CD besitze, die ihr Vater Yamaoto gestohlen hatte. Diese

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