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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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wie ein ganz normaler Bürger, um mögliche Verfolger in dem Glauben zu wiegen, dass er wirklich nur das war. Aber die Zurückhaltung galt lediglich für den Anfang. Der GAG wird zunehmend aggressiver, denn die Verfolger sollen nicht mehr getäuscht, sondern möglichst gezwungen werden, sich zu erkennen zu geben. Du steigst aus einer U-Bahn und wartest, bis der Bahnsteig völlig leer ist, dann steigst du in einen Zug in die entgegengesetzte Richtung. Du biegst um Ecken, bleibst stehen und wartest, ob jemand direkt hinter dir hergelaufen kommt. Du benutzt viele Aufzüge, sodass Verfolger gezwungen sind, mit dir einzusteigen oder dich in Ruhe zu lassen. Die Grundidee ist, sich lieber offensichtlich wie ein Spion zu verhalten, als die Bösen zu der Quelle zu führen, die man ja schließlich schützen möchte.
    Harry hatte sich auf dem Weg zu unserem Treffen im Teise mit Sicherheit ans Protokoll gehalten. Und als seine Gegenaufklärungsmaßnahmen aggressiver wurden, hatten seine Verfolger sich entscheiden müssen, ob sie sich entdecken lassen oder die Verfolgung aufgeben wollten, um ihr Glück an einem anderen Tag erneut zu versuchen. Falls sie Letzteres getan hatten, dann war Harry zu unserem Treffen sauber erschienen, ohne bemerkt zu haben, dass er noch kurz zuvor verfolgt worden war.
    Heute Abend ging es darum, festzustellen, ob all das wirklich zutraf. Die Route, die ich mir ausgedacht hatte, sollte Harrys mögliche Verfolger im Kreis durch den Ebisu Garden Palace führen, ein großes Einkaufszentrum, das mir etliche Möglichkeiten verschaffen würde, Harry und jeden, der ihm auf den Fersen war, unauffällig zu beobachten. Die Route war zwar aggressiv genug, um einen Beschatter zu entdecken, aber nicht so aggressiv, ihn zu verscheuchen. Erst am Ende könnte Harry sich vorne aus dem Staub machen und ich von hinten zuschlagen.
    Um acht Uhr machte ich mich auf den Weg zum Restaurant Rue Favart an der Ecke der Ebisu 4-chome, gegenüber vom Sapporo-Gebäude. Ich wollte früh dort sein, um möglichst einen von den drei Tischen am Fenster im zweiten Stock des Restaurants zu bekommen, von wo aus ich gut den Bürgersteig beobachten konnte, über den Harry bald kommen würde. Wenn die Tische besetzt wären, hätte ich noch Zeit zu warten. Ich hatte auch Hunger, und das Rue mit seiner bunten Auswahl an Pasta und Sandwiches war genau das Richtige für einen leckeren Happen. Ich war immer gern in dem Restaurant, als ich noch in Tokio lebte, und jetzt freute ich mich darauf, wieder mal dort zu sein.
    Ich folgte einer Kellnerin die Holztreppe hoch in den zweiten Stock und betrachtete die schrille Inneneinrichtung – limonen-grüne Wände, die mit riesigen Blumen bemalt waren, zusammengewürfelte Stühle und Tische aus Holz, Metall und Plastik. Die Fenstertische waren tatsächlich besetzt, als ich eintraf, aber ich sagte der Kellnerin, das sei kein Problem, ich würde gern warten, um in den Genuss einer so herrlichen Aussicht zu kommen. Ich setzte mich auf ein kleines Sofa, trank einen Eiskaffee und betrachtete die verwirrend echt wirkenden Deckengemälde von Käfern, Faltern und Libellen. Nach einer halben Stunde standen die beiden Bürofrauen an einem Fenstertisch auf und ich nahm dort Platz.
    Ich bestellte ein Shiitake-Pilz-Risotto und eine Bohnen-Minestrone, bat aber um eine rasche Bedienung, da ich um halb zehn ins Kino wolle. Ich würde auf der Stelle gehen müssen, wenn Harry vorbeikam, und ich musste alles richtig planen.
    Ich überlegte, was zu tun sei, wenn mein Experiment erfolgreich wäre – das heißt, wenn Harry tatsächlich verfolgt würde. Die Antwort hinge wohl größtenteils davon ab, wer die Verfolger waren und weshalb sie sich für ihn interessierten. Meine Hauptsorge war, dass meine Abreise sich verzögern könnte, die ich jetzt, da ich den «Gefallen» für Tatsu erledigt hatte, beschleunigen musste. Ich durfte mich nicht von meinen Plänen abbringen lassen, selbst wenn das bedeutete, Harry sich selbst zu überlassen.
    Das Risotto war gut, und ich hätte gern mehr Zeit gehabt, es in aller Ruhe zu genießen. Stattdessen aß ich hastig und beobachtete dabei die Straße. Als ich fertig war, sah ich auf die Uhr. Die Zeit reichte noch für eine Tasse heiße Schokolade, für die das Rue berühmt ist – aus reinem Kakao mit Sahnehaube. Ich bestellte eine und trank genüsslich, während ich wartete und Ausschau hielt.
    Um kurz nach neun sah ich Harry, wie er im Uhrzeigersinn von der Ebisu-Station in Richtung

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