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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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auf den Westen der Stadt stand und auf der ich manchmal saß und mir den Sonnenuntergang anschaute; auf dem glänzenden Holzboden ein großer Gabbe-Teppich, dessen gedämpfte Grün- und Brauntöne mit einem Dutzend launiger cremefarbener Flecken durchsetzt waren, die wahrscheinlich Ziegen in einer idyllischen Landschaft darstellen sollten, und der so dick und weich war, dass er einst den Nomaden, die ihn hergestellt hatten, als Matratze dienen konnte; ein wuchtiger Schreibtisch mit zwei Unterschränken, den es von England nach Japan verschlagen hatte, die Schreibfläche beherrscht von einem schwarzen Ledereinsatz, entsprechend abgenutzt durch den Druck der Stifte, die mehr als ein Jahrhundert lang über ihn hinweggeglitten waren; und einer dieser grotesk komplizierten, aber verblüffend bequemen Herman-Miller-Aeron-Schreibtischstühle, den ich aus einer Laune heraus aus der Konkursmasse einer jungen Technologiefirma in Shibuya erworben hatte. Auf dem Schreibtisch: ein Macintosh-G4-Computer und ein prächtiger 23-Zoll-Flachbildschirm, von dem ich Harry nichts erzählt hatte, weil er mich für einen Analphabeten hielt, wenn es um Computer ging, und er nicht unbedingt zu wissen brauchte, dass auch ich durchaus imstande war, die eine oder andere Firewall zu überwinden.
    Gegenüber der Couch stand eine Stereoanlage von Bang & Olufsen, daneben ein Bücherregal mit einer umfangreichen CD-Sammlung, überwiegend Jazz, und meiner bescheidenen Bibliothek – darunter eine Reihe von Büchern über die Bugei, die Kriegskünste, mit einigen recht alten und seltenen Ausgaben. Sie handelten von Kampftechniken, die im modernen Judo als zu gefährlich gelten – Rückgratbieger, Halsdreher und dergleichen –, Techniken, die demzufolge kaum noch bekannt sind.
    Der einzige auffällige Gegenstand in der Wohnung war ein hölzernes Wing-Chun-Trainingsgerät, etwa so groß wie ein dicker Mann, das ich in die Mitte des einzigen Tatami-Raumes der Wohnung gestellt hatte. Wäre das Apartment von einer Familie bewohnt gewesen, hätte hier der Kotatsu gestanden, ein niedriger Tisch mit einer schweren, wattierten Decke, die bis auf den Boden hängt, und einem elektrischen Heizofen darunter. Im Winter hätte sich die Familie darum versammelt, die schuhlosen Füße von dem Heizofen erwärmt, die Beine bequem unter der dicken Decke, und man hätte über die Nachbarn getratscht, die Haushaltsrechnungen überprüft, vielleicht die Zukunft der Kinder geplant.
    Für mich jedoch war die große Holzpuppe nützlicher. Fast die ganzen fünfundzwanzig Jahre, die ich nun schon in Japan lebte, trainierte ich Judo, und mir gefiel es, dass Würfe und Bodenkampf bei dieser Kunst eine vorrangige Rolle spielten. Aber nachdem Holtzer und die CIA von meiner Verbindung zum Kodokan in Tokio erfahren hatten, wäre es für mich zu gefährlich gewesen, auch in Osaka in die Judoschule zu gehen. Das wäre so, als würde jemand, der gerade ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden ist, dieselben ausgefallenen Zeitschriften abonnieren wie zuvor. Fürs Erste war mir wohler dabei, allein zu trainieren. Dank der Trainingspuppe blieben meine Reflexe schnell und die Schlagflächen meiner Hände schwielig und hart. Außerdem konnte ich mit ihr Schläge und Abwehrtechniken trainieren, die ich im Judo vernachlässigt hatte. Sie hätte interessanten Gesprächsstoff geliefert, wenn ich je Besuch bekommen hätte.
    In den folgenden Tagen beschäftigte ich mich mit den Vorbereitungen für meinen Wegzug aus Osaka. Übertriebene Hast wäre ein Fehler gewesen: Bei einem Ortswechsel ist man besonders angreifbar, und wer mich jetzt nicht aufspüren konnte, wäre eventuell doch dazu in der Lage, wenn ich mich jählings in ein weniger abgesichertes Leben stürzte. Außerdem rechnete Tatsu womöglich damit, dass ich überstürzt fortzog; falls ja, wäre er darauf eingestellt, mir zu folgen. Wenn ich jedoch erst einmal blieb, wo ich war, ließ er sich vielleicht einlullen, sodass ich die Chance hatte, ihn endgültig abzuschütteln, wenn der Zeitpunkt gekommen war.
    Ich hatte mich für Brasilien entschieden. Aus diesem Grund, hatte ich angefangen, Portugiesisch zu lernen, was mir bei Naomi bereits ganz nützlich gewesen war. Hongkong, Singapur oder irgendeine andere Stadt in Asien wäre eine näher liegende Wahl gewesen, aber genau das sprach natürlich für Brasilien. Und selbst wenn jemand auf die Idee kam, dort nach mir zu suchen, wäre das ein schwieriges Unterfangen: In Brasilien lebten so

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