Tokio Killer - 02 - Die Rache
etwas wie Hundewahnsinn. Nun, es heißt ja, dass Hund und Herrchen sich mit der Zeit immer ähnlicher sehen.
Murakami bedeutete mir einzusteigen. «Keine Bange», sagte er. «Solange er den Maulkorb trägt, ist er brav.»
«Ich würde dir trotzdem lieber den Vortritt geben», sagte ich.
Er lachte und schob sich hinein. Der Hund machte ihm Platz. Ich stieg ein und der Bodyguard schloss die Tür. Er und der andere Typ nahmen vorne Platz. Wir fuhren in nördlicher Richtung auf die Kaigan-dori, dann über die Sakura-dori und die Gaienhigashi-dori nach Roppongi. Keiner sagte etwas. Der Hund beäugte mich unentwegt.
Als wir die Roppongi-dori überquerten, wurde ich unruhig. Als wir uns der Aoyami-dori näherten, wusste ich Bescheid.
Wir fuhren zum Damask Rose.
11
I CH KONNTE MIR jetzt beim besten Willen nicht mehr einreden, dass Harry einfach Glück bei einer Hostess gehabt hatte. Das klimatisierte Innere des Benz kam mir plötzlich sehr heiß vor.
Aber ich hatte unmittelbarere Probleme zu lösen als die Sache mit Harry. Als ich das letzte Mal im Damask Rose gewesen war, hatte ich Englisch gesprochen und mich als Amerikaner mit leidlichen Japanischkenntnissen ausgegeben. Außerdem hatte ich einen anderen Namen benutzt. Ich musste eine einleuchtende Erklärung dafür finden.
Als der Benz vor dem Club hielt, sagte ich: «Aha, guter Nightclub.»
«Schon mal hier gewesen?», fragte Murakami.
«Einmal. Die Mädchen sind schön.»
Seine Lippen teilten sich zu einem Lächeln, und die grellweiße Brücke blitzte dazwischen auf. «Und ob. Ich suche sie selbst aus.»
Der Chauffeur öffnete die Beifahrertür, und wir stiegen aus. Der Hund blieb, wo er war, und beobachtete mich mit seinen hungrigen Dämonenaugen, bis der Chauffeur die Tür geschlossen hatte und die dunkle Scheibe uns trennte.
Die Nigerianer bewachten den Eingang. Sie machten eine unterwürfig tiefe Verbeugung vor Murakami und hauchten unisono «Irasshaimase». Der auf der rechten Seite sagte etwas in das Mikro an seinem Jackettaufschlag.
Wir gingen die Treppe hinunter. Der rotgesichtige Mann, den ich beim letzten Mal gesehen hatte, schaute auf. Er sah Murakami und schluckte.
«Ah, Murakami-san, guten Abend», sagte er auf Japanisch und verbeugte sich tief. «Es ist immer ein Vergnügen, Sie begrüßen zu dürfen. Wünschen Sie heute Abend jemand besonderen an Ihrem Tisch?»
Ein dünner Streifen Schweiß war auf seiner Stirn ausgebrochen. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Murakami, und von mir hatte er keinerlei Notiz genommen.
Murakami blickte sich im Raum um. Etliche von den Mädchen lächelten ihm zu. «Yukiko», sagte er.
Harry, dachte ich.
Rotgesicht nickte und wandte sich mir zu. «Okyakusama?», fragte er. Und Sie? Dass er mich auf Japanisch ansprach, ließ darauf schließen, dass er sich nicht an unsere letzte Begegnung erinnerte, bei der wir uns auf Englisch unterhalten hatten.
«Ist Naomi heute Abend hier?», fragte ich, gleichfalls auf Japanisch. Falls sie da war, wollte ich sie sofort sehen, um eine geringfügig bessere Chance zu haben, das Gespräch steuern zu können. Falls die Sache schlecht lief, würde es zumindest nicht so aussehen, als hätte ich versucht, ihr auszuweichen.
Vielleicht hatten sich die Augen von Rotgesicht leicht verengt, weil er sich daran erinnerte, dass einige Wochen zuvor schon mal jemand um Naomi gebeten hatte. Ich war mir nicht sicher.
Er neigte den Kopf. «Ich werde sie für Sie holen.»
Ich hatte mir schon eine Erklärung zurechtgelegt, falls Naomi meinen Namenswechsel oder andere Ungereimtheiten erwähnen sollte: Ich war verheiratet und wollte nicht das Risiko eingehen, dass meine nächtlichen Vergnügungstouren irgendwie meiner Frau zu Ohren kamen. Die Tatsache, dass ich bar bezahlte und nicht mit Kreditkarte, passte gut in diese Geschichte hinein. Nicht gerade die beste Ausrede der Welt, aber ich musste schließlich irgendwas sagen, wenn sie mich auf die Widersprüche ansprach.
Rotgesicht nahm zwei Speisekarten und geleitete uns in den Hauptsaal, wo er kurz stehen blieb und einem Mädchen, das ich vom letzten Mal als Elsa wieder erkannte, etwas zuflüsterte. Ich sah, wie Elsa ein anderes Mädchen, Emi, am Arm berührte.
Rotgesicht ging mit uns zu einem Ecktisch. Murakami und ich setzten uns nebeneinander, beide mit Blick auf den Eingang. Ich beobachtete Emi, die zu einem anderen Tisch ging, wo Yukiko einen Gast unterhielt. Emi setzte sich und flüsterte Yukiko etwas ins Ohr. Einen Moment
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