Tokio Killer - 02 - Die Rache
Möglichkeiten, mit solchen Informationen viel anzufangen. Sie brauchen die Hilfe von Einheimischen.»
«Soll heißen?», fragte er erneut, jetzt mit verstocktem Unterton.
«Sie kennen Yamaoto durch seine Verbindungen zu Holtzer.
Sie bitten ihn um Hilfe. Er lässt von seinen Leuten die Personalunterlagen von Firmen und die Wohnungen überprüfen, und zwar in konzentrischen Kreisen, ausgehend von dem Chuo-ku-Poststempel. Vielleicht haben sie auch Zugang zu Steuerakten, und sie finden heraus, wo ein Haruyoshi, der sich ungewöhnlich schreibt, arbeitet. Jetzt haben sie deinen vollen Namen, aber sie wissen immer noch nicht, wo du wohnst, weil du genau darauf achtest, dass das niemand erfährt. Vielleicht heften sie sich an deine Fersen, wenn du aus der Firma kommst, aber sie merken bald, dass du auf der Hut bist, und es klappt nicht. Also bringt Yamaoto deinen Boss dazu, mit dir irgendwohin zu gehen, um was zu feiern, irgendwohin, wo du dann eine echte Rassefrau kennen lernst, die herausfinden kann, wo du wohnst. Auf diese Weise können sie dir dann häufiger folgen, bis du vielleicht mal unvorsichtig wirst und sie zu mir führst.»
«Und warum ist Yukiko dann noch immer mit mir zusammen?»
Ich sah ihn an. Das war eine gute Frage.
«Ich meine, wenn sie nur auf mich angesetzt war, um meine Adresse rauszukriegen, hätte sie sich doch nicht mehr blicken zu lassen brauchen, nachdem ich sie das erste Mal mit zu mir nach Hause genommen hatte. Aber das hat sie nicht getan. Sie ist noch immer mit mir zusammen.»
«Dann soll sie dich vielleicht genauer beobachten, deinen Alltag auskundschaften, irgendwelche Informationen herausbekommen, die ihren Leuten helfen könnten, mich zu finden. Vielleicht deine Anrufe abhören, ihre Leute verständigen, sobald wir beide Kontakt aufnehmen. Ich weiß es nicht genau.»
«Tut mit Leid. Das ist an den Haaren herbeigezogen.»
Ich seufzte. «Harry, du bist nicht gerade prädestiniert, in dieser Sache objektiv zu sein. Das musst du zugeben.»
«Bist du es denn?»
Ich sah ihn an. «Was sollte ich für Gründe haben, dir die Geschichte zu vermiesen?»
Er zuckte die Achseln. «Vielleicht hast du Angst, dass ich dir nicht mehr helfe. Du hast es doch selbst mal gesagt: ‹Du kannst nicht mit einem Bein im Tageslicht und mit dem anderen im Dunkeln stehen.› Vielleicht hast du Angst, dass ich ins Tageslicht trete und dich zurücklasse.»
Ich spürte, wie eine Welle wütender Empörung in mir aufstieg, und ich drängte sie zurück. «Ich will dir mal was sagen, mein Junge», erwiderte ich. «Ich habe vor, in naher Zukunft selbst im Tageslicht zu leben. Dann brauche ich deine ‹Hilfe› nicht mehr. Also, selbst wenn ich dieses selbstsüchtige, intrigante Schwein wäre, für das du mich offenbar hältst, hätte ich nicht mal ein Motiv dafür, dich im Dunkeln halten zu wollen.»
Er lief rot an. «Tut mir Leid», sagte er nach einem Moment.
Ich winkte ab. «Vergiss es.»
Er sah mich an. «Nein, ehrlich. Es tut mir Leid.»
Ich nickte. «Okay.»
Wir schwiegen einen Moment. Dann sagte ich: «Hör mal, ich kann mir ungefähr vorstellen, was du für diese Frau empfindest, okay? Ich habe sie gesehen. Sie ist ein Rasseweib.»
«Sie ist mehr als das», sagte er leise.
Dieser dumme, naive Trottel. Seine einzige Hoffnung bei diesem eiskalten Miststück war, dass sie erkannte, wie hilflos er ihr ausgeliefert war, und dann doch noch Skrupel bekam.
Aber darauf würde ich mich nicht verlassen.
«Glaub mir», sagte ich, «es macht mir keinen Spaß, dich misstrauisch zu machen. Aber, Harry, eins kann ich dir versichern: Irgendwas stimmt da nicht. Du musst vorsichtig sein. Und nichts macht einen unvorsichtiger als die Art von Gefühlen, die dich im Augenblick fest im Griff haben.»
Nach einer Weile sagte er: «Ich werde darüber nachdenken, was du gesagt hast. Okay?»
Er sah aber nicht so aus, als würde er darüber nachdenken. Er sah aus, als hätte er sich am liebsten die Ohren zugehalten, seinen frisch frisierten Kopf in den Sand gesteckt und alles, was ich ihm gesagt hatte, mit der Delete-Taste gelöscht.
«Hör zu, ich treffe mich heute Abend mit ihr», sagte er. «Ich werde besser aufpassen. Ich werde dran denken, was du gesagt hast.»
«Ich habe dich für cleverer gehalten», sagte ich kopfschüttelnd. «Das habe ich wirklich.»
Ich warf ein paar Geldscheine auf den Tisch und ging. Ich sah ihn nicht einmal mehr an.
Auf dem Weg zur U-Bahn-Station fiel mir ein, was ich vorher zu Tatsu
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