Tokio Killer - 02 - Die Rache
alle von ihnen», sagte ich in Gedanken an Naomi.
«Nein, nicht alle. Manche von ihnen wissen vielleicht nicht mal, was da vor sich geht, aber ich vermute stark, dass sie zumindest einen Verdacht haben. Yamaoto betreibt solche Etablissements gern als legale Unternehmen. Dadurch sind sie nicht so leicht zu entlarven und auszuheben. Ishihara, der Gewichtheber, war in dieser Hinsicht ungemein wichtig. Es ist gut, dass er weg ist.»
Er wischte sich wieder über die Stirn. «Interessant finde ich, dass Murakami bei dieser Art von Yamaotos Kontrollmitteln offenbar auch eine wichtige Rolle spielt. Vielleicht ist er für Yamaotos Machterhalt sogar noch wichtiger, als ich zunächst angenommen habe. Kein Wunder, dass Yamaoto versucht, andere ins Spiel zu bringen. Er muss seine Abhängigkeit von diesem Mann verringern.»
«Tatsu», sagte ich.
Er sah mich an, und ich spürte, dass er ahnte, was jetzt kam.
«Ich werde ihn nicht ausschalten.»
Es entstand eine lange Pause. Sein Gesicht war ausdruckslos.
«Ich verstehe», sagte er leise.
«Es ist zu gefährlich. Es war ohnehin schon gefährlich, und jetzt haben sie auch noch mein Bild auf dem Video vom Damask Rose. Falls der Falsche das Bild sieht, wissen sie, wer ich bin.»
«Die interessieren sich für Politiker, Beamte und Konsorten. Das Risiko, dass das Video bis zu Yamaoto gelangt oder zu einem der sehr wenigen Leute in seiner Organisation, die dein Gesicht kennen, scheint mir gering.»
«Mir nicht. Aber wie dem auch sei, der Bursche ist ein schwieriges Ziel, ein sehr schwieriges. Einen wie ihn so auszuschalten, dass es aussieht wie ein natürlicher Tod, ist fast unmöglich.»
Er sah mich an. «Dann lass es eben aussehen wie einen unnatürlichen Tod. Es steht so viel auf dem Spiel, dass es das Risiko wert ist.»
«Das würde ich auch machen. Aber mit einem Präzisionsgewehr kann ich nicht gut umgehen, und eine Bombe kommt nicht in Frage, weil Unbeteiligte mit in die Luft fliegen könnten. Und wenn diese beiden Optionen wegfallen, ist es so gut wie aussichtslos, den Burschen auszuschalten und mit heiler Haut davonzukommen.»
Ich merkte, dass ich mich dazu hatte hinreißen lassen, mit ihm über praktische Fragen zu diskutieren. Ich hätte einfach Nein sagen und den Mund halten sollen.
Wieder eine lange Pause. Dann sagte er: «Was hält er deiner Meinung nach von dir?»
Ich atmete einmal tief die feuchte Luft ein, ließ sie dann wieder hinausströmen. «Ich weiß es nicht. Einerseits hat er gesehen, was ich drauf habe. Andererseits hält er mich für ungefährlich, da mein Auftreten weder bedrohlich noch einschüchternd ist. Ganz im Gegenteil zu seinem.»
«Dann unterschätzt er dich.»
«Vielleicht. Aber nicht viel. Leute wie Murakami unterschätzen andere nicht.»
«Du hast bewiesen, dass du nah an ihn rankommen kannst. Ich könnte dir eine Pistole besorgen.»
«Ich hab dir doch gesagt, dass er immer mindestens zwei Bodyguards dabeihat.»
Kaum hatte ich es ausgesprochen, wünschte ich, ich hätte es nicht gesagt. Jetzt verhandelten wir. Das war dumm.
«Lauere ihnen auf», sagte er. «Leg alle drei um.»
«Tatsu, du verstehst nicht, was dieser Bursche für Instinkte hat. Dem kann keiner auflauern, ohne dass er es merkt. Als wir vor dem Club aus seinem Benz gestiegen sind, habe ich gesehen, wie er die Dächer nach Scharfschützen abgesucht hat. Und er wusste genau, wo er hinschauen musste. Der würde aus einer Meile Entfernung wittern, wenn ich ihm auflauern würde. Genau wie ich ihn wittern würde. Vergiss es.»
Er blickte finster. «Wie kann ich dich überzeugen?»
«Gar nicht. Versteh doch, es war schon von Anfang an ein riskanter Vorschlag, aber ich war gewillt, das Risiko einzugehen, als Gegenleistung für das, was du für mich tun kannst. Jetzt habe ich festgestellt, dass das Risiko größer ist, als ich dachte. Aber das Gegenangebot ist dasselbe geblieben. Die Gleichung hat sich verändert. So einfach ist das.»
Lange Zeit sprach keiner von uns. Schließlich seufzte er und sagte: «Was hast du jetzt vor? Dich zur Ruhe setzen?»
«Vielleicht.»
«Du kannst dich nicht zur Ruhe setzen.»
Ich zögerte. Als ich sprach, war meine Stimme leise, kaum mehr als ein Flüstern. «Ich hoffe, du willst damit nicht sagen, dass du mich daran hindern könntest.»
Er verzog keine Miene. «Es wäre gar nicht nötig, dich daran zu hindern», sagte er. «Du würdest es ohnehin nicht lange aushalten. Ich wünschte, du würdest das einsehen. Was willst du denn
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