Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
legte auf.
Ich schaltete das Handy ab, machte das Licht aus und setzte mich wieder in den Sessel. Ich nahm den Schneidersitz ein und schaute den Lichtern der Stadt zu, bis sie eins nach dem anderen fast unmerklich verloschen.
Ich dachte an Delilah, so nah und doch so fern.
Ich hoffte, ihr vertrauen zu können. Ich würde es wohl müssen. Aber das beunruhigte mich nicht. Was mich beunruhigte, war, wie sehr ich ihr vertrauen wollte.
17
HILGER WAR ENDLICH FERTIG mit seinem alltäglichen Finanzkram, der zum Teil seine Tarnung in Hongkong, zum Teil seine realen Geschäfte, seine reale Mission betraf. Nach allem, was in letzter Zeit passiert war, fiel es ihm nicht leicht, den Überblick zu behalten.
Er stand von seinem Schreibtisch auf und reckte sich, dann sah er auf die Uhr. Mist, schon zwei Uhr morgens. Er musste nach Hause und ins Bett. Morgen war ein großer Tag.
Das Telefon klingelte. Er setzte sich wieder hin. Das Display zeigte an, dass die Nummer unterdrückt war. Hoffentlich Winters mit einer guten Nachricht, dachte er. Er hatte sich schon gewundert, wieso er so lange nichts von ihm gehört hatte.
Stattdessen war es Demeere, noch einer aus seinem Netzwerk, der nach Thailand geflogen war, weil er Winters helfen sollte, Rain zu verhören. Bevor Hilger darüber nachdenken konnte, warum Demeere und nicht Winters, der Teamleiter, anrief, sagte Demeere: »Schlechte Nachrichten.«
»Ich höre«, sagte Hilger mit ruhiger Stimme.
»Winters und die Thais haben Rain vor einem Jazzclub in Pathumwan aufgelauert. Rain ist entwischt. Winters ist tot. Zwei von den Thais ebenfalls.«
Zum ersten Mal verlor Hilger leicht die Ruhe. Er sagte: »Scheiße.« Er überlegte, was er sonst noch sagen könnte, aber es fiel ihm nichts ein, also sagt er es noch einmal. »Scheiße.«
Winters war Profi, und Hilger war fest davon ausgegangen, dass der Mann kein unnötiges Risiko eingehen würde.
Schlimmstenfalls, so hatte er gedacht, würde es ihnen nicht gelingen, Rain aufzuspüren, oder er würde ihnen entkommen. Er hatte nicht mit Toten gerechnet. Erst recht nicht, dass es Winters treffen könnte.
»Was ist mit Dox?«, fragte er, als er wieder klarer denken konnte.
»Der ist auch entwischt. Zwei der Thais haben mich informiert.«
»Stellen die Thais jetzt einen Risikofaktor dar?"
"Nein. Dafür wissen sie zu wenig.«
Hilger überlegte einen Moment, sagte dann: »Wie ist das passiert?«
»Anscheinend hat Rain Lunte gerochen. Er hat reagiert, bevor sie richtig in Position waren.«
Wenn Rain bei Winters Lunte gerochen hatte, dann musste er der reinste Hellseher sein. Oder aber die Thais hatten einen Fehler gemacht. Zugeben würden sie das ganz bestimmt nicht. Sie waren schließlich bloß einfache Hilfskräfte vor Ort. Nachdem Calver und Gibbons bei dem Desaster in Manila drauf-gegangen waren, hatte Hilger so schnell kein vollständiges Profiteam mehr zusammenstellen können.
»Wie ist Winters gestorben?«, fragte Hilger.
»Rain hatte ein Messer.«
Hilgers Miene wurde finster. Und dieser ganze Kali-Mist?
Winters war doch angeblich Experte im Messerkampf. »Er hat Winters mit einem Messer erledigt?«, fragte er und dachte, dass irgendetwas an der Geschichte nicht stimmen konnte.
»Angeblich hat Dox einen Stuhl nach ihm geworfen. Das hat ihn umgehauen.«
Na, das kann ich mir vorstellen.
»Und dann?«
»Die Thais sagen, Rain und Dox hätten sich auf ihn gestürzt und auf ihn eingestochen. Sie hätten nichts machen können und sind abgehauen.«
Dass sie abgehauen waren, konnte Hilger sich gut vorstellen. Er fragte sich bloß, wann genau sie im Ablauf der Ereignisse abgehauen waren.
»Haben Sie schon irgendwelche Bestätigungen einholen können?«, fragte er.
»Ja. Ich habe einen Kontakt in der Botschaft, der bei der thailändischen Polizei nachgefragt hat. Winters hatte gebrochene Rippen und ist an einem Messerstich in die Brust gestorben. Er hatte Abwehrverletzungen an den Armen.«
So groß seine Wut und sein Kummer wegen Winters auch waren, Hilger war dennoch erleichtert, dass der Mann im Kampf gestorben war. Winters hatte einiges gewusst, und es wäre ein Problem, wenn Rain und Dox ihn hätten verhören können. Sie hätten zwar kein leichtes Spiel mit ihm gehabt - so ohne weiteres hätte Winters keine Informationen preisgegeben -, aber so musste Hilger sich nicht mit irgendwelchen Zweifeln herumplagen.
»Wie schätzt die Polizei die Sache ein?«, fragte er.
»Für die war es ein geplatzter Drogendeal. Winters
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