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Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Titel: Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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sagte ich und stellte ihn auf den Tisch, um dann diskret die Sachen herauszunehmen, die ich brauchen würde. »Jeder in Hongkong hat eine Aktentasche dabei, und ohne wäre deine Rolle nicht überzeugend. Die Funkausrüstung, der Laptop, es ist alles drin.«
    »Dann hast du ja keine mehr.«
    Ich schob die Hüften vor und steckte die Sachen aus dem Koffer in meine Hosentaschen. »Ich kauf mir eine unterwegs. In der richtigen Größe für selbsthaftende Audio- und Videosender.«
    Er grinste. »Was heutzutage zur Grundausstattung des gut gekleideten Gentleman gehört, verstehe.«
    Ich blickte ihn an, überlegte kurz und sagte dann: »Ich glaube, du musst dich von deinem Spitzbart trennen. Er ist zu auffällig.«
    Er sah mich an, als hätte ich eine Vasektomie vorgeschlagen. »Mensch, ich trag den Bart schon seit über zwanzig Jahren.«
    »Das ist es ja gerade. Wenn Hilger Aktenfotos von uns hat, und da bin ich mir sicher, springt ihm der Bart direkt ins Auge. Der Anzug und die wunderhübsche Lady an deiner Seite sind hilfreich, aber ohne Gesichtsbehaarung wäre es besser.«
    »Na, der Anzug ist ein neuer Look, das stimmt, aber dass ich dann und wann eine wunderhübsche Lady an meiner Seite habe, dafür bin ich bekannt«, sagte er. »Das wäre also nicht unbedingt eine Verkleidung für mich.« Er rieb sich den Bart. »Mann, ich fühl mich wie Samson, bevor er geschoren wurde.« Er wandte sich an Delilah. »Und du heißt auch noch ausgerechnet Delilah.«
    Sie lächelte. »Ich glaube, du würdest gut ohne aussehen.«
    »Ehrlich?«
    Sie nickte. »Du hast eine gute Kinnpartie. Warum versteckst du sie?«
    Dox grinste und sah mich an. »Ich brauche ein Rasiermesser, schnell!«, sagte er. Dann wandte er sich wieder Delilah zu. »Hör mal, ich hab bisher nie was vom Heiraten gehalten. Aber ich glaube, wenn du meinen Partner irgendwann mal satt hast, würde ich dir gern einen Antrag machen.«
    Sie lachte.
    »Hab ich was Komisches gesagt?«, fragte Dox.
    »Also, ich muss los«, sagte ich und stand auf. »Ihr müsstet, sagen wir, in fünfundvierzig Minuten da sein, bevor die Bar zu voll wird. Und bevor Hilger und Begleitung eintreffen.«
    Sie standen ebenfalls auf, und wir gaben uns alle die Hand, getreu unseren Rollen. Ich ging nach unten, nahm ein Taxi zum Mandarin Oriental, überquerte die Straße und verschwand in einem Taschenladen. Das Angebot umfasste eine ganze Palette hochwertiger, aber durchweg langweiliger Businesstaschen ... und einen mahagonifarbenen Tanner-Krolle-Aktenkoffer. Teuer, dachte ich, während ich mit den Schnappriegeln spielte, die sich mit der leisen Gelassenheit eines Banktresors oder einer Rolls-Royce-Tür klickend öffneten, aber das Leben ist kurz ...
    Fünf Minuten später ging ich um das alte Bank-of-China-Gebäude herum, Aktenkoffer in der Hand. Mit seinen über fünfzig Jahren war das vom Art déco beeinflusste Gebäude für Hongkonger Verhältnisse alt. Mit seinen fünfzehn Geschossen war es obendrein winzig, und die HSBC-Zentrale aus Stahl und Glas, die zu seiner Rechten aufragte, und die fontänenhafte, Fiberoptik gesteuerte Lightshow des riesigen Cheung Kong Center dahinter verliehen ihm das Flair eines Bauwerks, dem auf wundersame Weise eine Gnadenfrist gewährt worden ist, bevor es ebenfalls den Maschinen des Fortschritts zum Opfer fallen würde, die seine Zeitgenossen bereits abgerissen hatten, um für all diese Kolosse ringsherum Platz zu schaffen. Ein zum Tode Verurteilter, der noch Würde ausstrahlte, aber dessen Tage gezählt sind.
    Ich registrierte sämtliche Ein- und Ausgänge, die Fahrtrichtung des Verkehrs, die Überwachungskameras. Es wurde nur ein einziger Eingang benutzt, auf der Westseite, an einer kurzen, einspurigen Straße, die das Gebäude von seinen riesigen Nachbarn trennte. Auf der anderen Straßenseite, direkt gegenüber des Eingangs, stand ein großer Müllcontainer, hinter dem ich in Deckung gehen oder mich verstecken konnte, falls das aus irgendeinem Grund erforderlich sein sollte. Vier Aufzüge, zwei Kameras. Ein gelangweilt wirkender Wachmann hinter einem Schreibtisch, ein Treppenhaus und ein Notausgang. Als ich auf das Treppenhaus zuging, kam ein Büroangestellter heraus, und die Tür hinter ihm schloss sich langsam wieder. Ich sah, dass er keine Magnetkarte oder sonst einen Schlüssel in der Hand hielt. Das hieß, die Treppenhaustüren waren von innen ganz normal zu öffnen, zumindest im Erdgeschoss. Wie eigentlich nicht anders zu erwarten - wenn ein Feuer

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