Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
Mann und stand von seinem Stuhl auf. Er ging zu ihr und schüttelte ihr die Hand, dann fuhr er auf Hebräisch fort: »Oder sollte ich sagen, bonjour Möchten Sie lieber Französisch sprechen?«
Dass er fragte, gefiel ihr. Es war aufreibend, zwischen zwei getrennten Identitäten hin und her zu wechseln. Sie schüttelte den Kopf und antwortete auf Hebräisch. »Nein. Sie ist ja eigentlich gar nicht hier. Lassen wir sie schlafen. Sie wacht auf, wenn sie wieder in Paris ist.«
Er nickte und lächelte. »Und dann wird sie denken, sie hätte das alles hier geträumt.« Er deutete auf die anderen Männer. »Sie kennen Boaz? Gil?«
»Wir haben schon zusammen gearbeitet, ja«, sagte sie. Sie erhoben sich, und die drei gaben einander die Hand.
Boaz war einer ihrer besten Experten für IEDs - improvised explosive devices, selbstgebastelte Sprengsätze. Sie mochte ihn sehr, wie eigentlich jeder. Er war ernst, wenn die Situation es verlangte, doch vom Typ her war er im Grunde jungenhaft, manchmal schelmisch, und er hatte ein unbeschwertes Lachen, das fast wie ein Kichern klang. Er machte ihr nie irgendwelche Avancen, behandelte sie eigentlich wie eine Schwester und Kollegin zugleich, was ihn in der Organisation zu einem seltenen Exemplar von Mann machte und, wenn der Direktor nicht dabei gewesen wäre, eine innige Umarmung verdient hätte.
Gil war anders - hager, düster und konzentriert. Gil wurde von allen bewundert, aber er gab ihnen auch ein ungutes Gefühl, und beides aus ein und demselben Grund: Er war unglaublich gut. Bei zwei von Delilahs Aufträgen war Gil der Schütze gewesen. In beiden Fällen war er aus dem Dunkeln aufgetaucht und hatte der Zielperson eine .22-Kugel direkt ins Auge geschossen, um gleich darauf wieder lautlos zu verschwinden. Er arbeitete im Team, wenn es nicht anders ging, aber Delilah wusste, im Grunde seines Herzens war er ein Einzelgänger und nur dann richtig in seinem Element, wenn er sich still und leise an seine Beute heranpirschen konnte.
Einmal, in einem Unterschlupf in Wien, hatte er sie angemacht. Er war plump und unverblümt gewesen, und Delilah hatte es abstoßend gefunden, dass er offenbar meinte, ein Anrecht auf Erfüllung seiner Erwartungen zu haben. Sie wusste, dass der Sex ihm eine Art Macht über sie verliehen hätte - dass das einer der Gründe war, warum er sie begehrte -, und sie hatte nicht vor, eines ihrer wenigen Geheimnisse, eines ihrer wenigen Mittel, Druck auszuüben, einem Kollegen preiszugeben. Ihre Abfuhr war so eindeutig gewesen wie seine Anmache. Die Sache hätte damit erledigt sein können - er war weiß Gott nicht der Erste -, doch die wenigen Male, die sie sich seitdem gesehen hatten, hatte er stets durchblicken lassen, dass er sich daran erinnerte, und zwar nicht ohne Groll. Es gab eine Sorte Mann, die es als demütigend empfand, wenn eine Frau sie abblitzen ließ, und sie vermutete, dass Gil in diese Kategorie fiel.
Der Tisch war für vier gedeckt, woraus sie schloss, dass sonst niemand erwartet wurde. Sie nahmen alle Platz. Der Direktor deutete auf die Sandwiches. »Ein kleiner Imbiss?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe im Flugzeug gegessen.«
Gil nahm ein Sandwich und biss hinein. Boaz nahm die Teekanne und lächelte sie an. »Einen Schluck Tee vielleicht?«, fragte er.
Sie lächelte ebenfalls und hielt ihm ihre Tasse ihn. »Danke.«
Boaz schenkte allen ein. Sie saßen eine Weile schweigend da und nippten an ihrem Tee. Dann sagte der Direktor: »Delilah, ich möchte Ihnen erklären, warum Sie herbeordert wurden. Das haben Sie sich doch bestimmt schon gefragt, was?«
Sie nickte. »Ein wenig, ja.«
»Wir haben ein Problem in Manila. Wir glauben, Sie können uns helfen, es zu lösen.«
Wir haben ein Problem, dachte sie. Hatten das nicht die Astronauten von Apollo 13 gesagt, als sie die Kontrolle über ihr Raumschiff zu verlieren drohten? Interessant, und auch leicht beunruhigend, war, dass er von »wir« gesprochen hatte.
»Ich höre«, sagte sie, gespannt, was da kommen mochte.
»Wir haben kürzlich einen Freien mit einem Job in Manila beauftragt. Einen Burschen namens John Rain, Halbjapaner.«
Sie zögerte keine Sekunde. »Ja, ich habe den Kontakt vermittelt.«
Sie überlegte kurz, warum der Direktor sich dumm stellte. Wenn das Problem so gravierend war, dass er sich selbst zu dieser Besprechung bequemte, musste er doch wohl über sämtliche
Einzelheiten im Bilde sein, einschließlich Delilahs Rolle dabei. Wahrscheinlich wollte
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