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Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Titel: Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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müsstest?«
    Ihre Augen verengten sich minimal. »Ich weiß nicht. Was würdest du machen?«
    Ich blickte sie an. »Für mich ist es einfach. Ich glaube an nichts, weißt du nicht mehr? Ich kann selbst entscheiden.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Es ist eher eine Antwort als das, was du gesagt hast."
    "Ich habe gesagt, ich weiß es nicht. Tut mir leid, wenn das nicht die Antwort ist, die du hören wolltest."
    "Ich will die Wahrheit hören."
    "Du weißt, wer ich bin."
    "Genau das frage ich dich.«
    Sie lachte. »Hör mal, ich bin wie eine verheiratete Frau, okay? Mit einer Familie, zu der ich immer wieder zurückkehren muss.«
    Ich erwiderte nichts. Nach einem Augenblick sagte sie: »Also hör auf, so zu tun, als wüsstest du das alles nicht.«
    Das hörte sich gefährlich nach einer Rechtfertigung an, wie ich sie selbst nur allzu gut kannte: Er hat gewusst, worauf er sich einlässt. Wenn er nicht in der Branche wäre, würden sie ihn nicht aus dem Weg haben wollen.
    Von allen potenziellen Tricks und möglichen Finten schien es gerade die Wahrheit zu sein, mit der sie am wenigsten rechnete. Je näher ich der Wahrheit kam, desto mehr geriet sie aus dem Konzept. »Bist du nur aus persönlichen Gründen hier?«, fragte ich sie.
    Sie rutschte ein winziges bisschen auf der Couch hin und her. »Ja.«
    »Sieh mir in die Augen, wenn du das sagst.« Sie tat es. Eine lange Sekunde verging. »Ich bin nur aus persönlichen Gründen hier«, sagte sie wieder.
    Nein. Ich kannte sie, aus unserer gemeinsamen Zeit in Rio. Wenn das, was sie gerade gesagt hatte, wahr wäre, dann hätte mein Misstrauen sie sofort provoziert. Doch jetzt versuchte sie, ihr Verhalten zu kontrollieren, obwohl die Müdigkeit, ihre widerstreitenden Gefühle und der Alkohol ihr zu schaffen machten und ich sie mit meinen Fragen unter Druck setzte. Die ungewohnte Anstrengung war ihr anzusehen.
    Ich blickte sie schweigend an. Sie erwiderte meinen Blick. Es verstrichen lange Sekunden - zehn, vielleicht fünfzehn. Ich sah, wie etwas Farbe in ihre Wangen stieg, wie ihre Nasenflügel bebten, wenn sie ausatmete. Plötzlich schaute sie weg. Ich sah, wie sich ihre Schultern mit jedem Atemzug hoben und senkten. »Hol dich der Teufel«, sagte sie, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Hol dich der Teufel.«
    Sie blickte sich im Raum um, erhob sich dann und ging auf und ab, zunächst langsam, dann schneller, wobei sie mit dem Kopf nickte, als würde sie in Gedanken etwas bestätigen, als versuchte sie, es zu akzeptieren.
    »Ich muss hier weg«, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu mir. Sie ging zu einer der Kommoden, zog eine Schublade auf und fing an, Sachen in die Reisetasche zu stopfen.
    »Delilah«, sagte ich.
    Sie antwortete nicht, hielt nicht mal inne. Sie zog eine zweite Schublade auf und steckte auch deren Inhalt in die Tasche.
    Ich stand auf. »Delilah«, sagte ich wieder.
    Sie warf sich die Tasche über die Schulter und ging Richtung Tür.
    »Warte«, sagte ich und stellte mich ihr in den Weg.
    Sie wollte links an mir vorbei. Ich machte einen Schritt nach rechts. Sie versuchte es rechts. Auch das klappte nicht. Sie versuchte es erneut links, schneller. Keine Chance.
    Sie hatte fast vergessen, dass ich da war. Irgendetwas versperrte ihr den Weg, und sie versuchte blind, daran vorbeizukommen. Doch als sie nicht weiter kam, musste sie genauer hinsehen, und auf einmal merkte sie, dass ich das Hindernis war. Ihre Augen wurden schmal. Am Rande meines
    Gesichtsfeldes nahm ich bei ihr eine Gewichtsverlagerung wahr, eine leichte Rotation in den Hüften. Dann schoss ihr rechter Ellbogen blitzartig auf meine Schläfe zu.
    Ich riss den Kopf zurück, zog die linke Schulter hoch und hob die linke Hand neben mein Gesicht. Ihr Ellbogen glitt oben an meinem Kopf ab. Da kam auch schon ihr linker Ellbogen von der anderen Seite. Ich nahm die Deckung hoch, ging in die Knie und wehrte den Schlag auf die gleiche Weise ab.
    Sie wich zurück und zielte mit dem linken Handballen direkt auf meine Nase. Ich wich zur Seite aus und parierte mit der Rechten.
    Sie griff erneut an, zwei schnelle Haken Richtung Kopf. Ich konnte beide Male das Schlimmste vermeiden. Sie gab vor Frust und Wut ihre Taktik auf, packte meinen Arm und versuchte, mich zur Seite zu ziehen.
    Wenn mein Körper in fünfundzwanzig Jahren Judo im Tokioter Kodokan irgendwas gelernt hat, dann die Fähigkeit, Bodenhaftung zu behalten. Sie hätte genauso gut versuchen können, einen der dicken Teakpfosten im Zimmer

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