Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
illegal, so einen Typen wie Manny zu beschäftigen. Wenn das rauskäme, wäre das äußerst unangenehm. Die Verantwortlichen würden wahrscheinlich abgesägt.«
»Ich verstehe nicht.«
Ich nickte. »Nein, tust du nicht, und deine Leute haben möglicherweise das gleiche Problem. Ihr arbeitet alle für einen kleinen, straff organisierten Verein, der kaum überwacht wird und nur wenigen Beschränkungen ausgesetzt ist. Aber bei der CIA ist das anders. Ich arbeite seit Jahren immer mal wieder für die, und ich weiß das. Die sind schon so manches Mal in der Luft zerrissen worden - die Church Commission, die Säuberungsaktionen unter Stansfield Turner, jetzt wieder mit dem neuen CIA-Direktor Goss -, und sie haben eine pawlowsche Aversion gegen Risiken entwickelt. Sollen sie Terroristen rekrutieren? Unbedingt. Aber wenn du derjenige bist, der das macht, wenn du jemanden, der amerikanisches Blut an den Händen hat, rekrutierst und, Gott bewahre, auch noch bezahlst, und wenn auf den Papieren dein Name steht, dann wirst du, sobald jemand ein Opferlamm braucht oder sobald du dir jemanden im Kongress zum Feind machst, mit absoluter Sicherheit gekreuzigt.«
»Du gehst einfach davon aus, dass sie Lavi als Spitzel laufen hatten. Sie könnten aber auch da gewesen sein, um ihn zu töten, genau wie du.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nie und nimmer. So, wie die in die Toilette gestürmt kamen, nachdem Manny den Panikknopf gedrückt hatte, wussten sie, dass Manny in Gefahr war, und wollten ihn schützen. Glaub mir, den Unterschied erkenn ich.«
»Na schön, dann waren sie also nicht da, um ihm was zu tun.«
»Stimmt. Weißt du, worauf ich hinauswill? Irgendwas stimmt da nicht. Manny ist schließlich nicht so was wie der Zweite Sekretär im Chinesischen Konsulat, für den alle Lob einheimsen wollen. Er ist ein Sprengstofftyp, ein Terrorist mit amerikanischem Blut an den Händen. Wenn irgendwer Manny für die CIA rekrutiert hat, dann behandeln sie ihn, als wäre er radioaktiv. Sie würden niemals zwei Officer zu einem persönlichen T reffen mit ihm schicken. Das ergibt keinen Sinn.«
Sie blickte mich an. »Wenn sie nicht von der CIA waren ...«
»Dann habe ich kein Problem mit der CIA. Oder zumindest kein größeres Problem als sonst. Vielleicht ist die Situation ja flexibler, als es im Moment den Anschein hat. Vielleicht krieg ich ja noch eine Chance bei Manny.«
»Ich verstehe.«
»Kannst du rausfinden, woher deine Leute wissen, was sie meinen zu wissen?«
Sie zögerte einen Moment und blickte nach rechts. »Mal sehen, was ich tun kann«, sagte sie.
»Was wirst du Gil erzählen?«, fragte ich, weil ich mir denken konnte, was gerade in ihr vorging. »Dass ... «
Sie blickte mich an, begriff, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Aber es war zu spät, und sie fuhr fort. »Ich ruf ihn morgen früh an. Ich sage ihm, ich hätte vorgeschlagen, Schnorcheln zu gehen, an einem bestimmten Strand, zu einer bestimmten Zeit, und du wärst misstrauisch geworden. Als ich wach geworden bin, warst du nicht mehr da.«
Ich hatte mir schon gedacht, dass es Gil sein würde. Killer erkennen einander.
»Meinst du, er glaubt dir?«, fragte ich.
»Er wird misstrauisch sein. Aber so gewinnen wir Zeit.«
»Vertraust du ihm?«
Sie runzelte die Stirn. »Er ist sehr ... engagiert."
"Ja, den Eindruck hatte ich auch.«
»Aber er ist ein Profi. Er macht seinen Job aus gutem Grund. Nimm ihm diesen Grund, dann sucht er sich die nächste Sache, die ihn nachts nicht schlafen lässt.«
Ich nickte. Ihre Einschätzung entsprach meiner eigenen.
Sie rieb sich die Augen. »Ich muss jetzt schlafen.«
Ich beugte mich zu ihr und berührte ihre Wange. Ich sah ihr in die Augen, wollte wissen, was ich dort sehen würde.
Was immer es war, es genügte mir. Es gab nichts mehr zu sagen. Wir knipsten das Licht aus und legten uns hin. Lange Zeit lauschte ich ihrem Atem im Dunkeln. Dann erinnere ich mich an nichts mehr.
Delilah schlief zwei Stunden lang tief und fest, dann wachte sie auf. Jetlag. Sie drehte sich auf die Seite und sah Rain beim Schlafen zu. Gott, was für ein Chaos.
Sie war in der Überzeugung hergekommen, dass er Mist gebaut hatte und dass sein Tod die einzige Lösung des Problems war, das er selbst verschuldet hatte. Dass er die Risiken kannte und die Konsequenzen in gewisser Weise verdient hatte. Aber jetzt war ihr klar geworden, dass das alles nur Schöndenkerei gewesen war, die psychische Abwehr gegen eine emotionale Bindung, vor der ihr graute.
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