Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
nickte Naftali zu, der ihm ein Handy zuwarf. »Steriles Gerät«, sagte Boaz. Er wählte eine Nummer aus dem Gedächtnis.
»Hallo«, sagte er, »ich würde gern ein Boot zum Angeln chartern. Ist das möglich? Nein, nicht für heute. Ja, wunderbar. Zwei Boote? Oh, das sieben Meter lange dürfte genügen. Hören Sie, es geht um einen wichtigen Kunden, und ich würde mir gern vorher die Anlage anschauen. Wäre das möglich? Ja? Alles klar, Chan, ich frage dann nach Ihnen, danke. Ich komme morgen oder übermorgen vorbei. Ja, natürlich, mein Name ist Vanya. Aber falls Sie gerade nicht da sind, könnte ich mich dann auch allein umschauen, mir die Boote ansehen? Aber natürlich, ich würde niemals ohne Erlaubnis an Bord eines Bootes gehen. Ja, vielen Dank.«
Boaz legte auf und sah uns an. »Die Sache ist gestorben. Chan sagt, wir dürfen ohne Erlaubnis kein Boot betreten.«
Niemand sagte etwas, und er zuckte die Achseln. »War bloß ein Witz. Die Sicherheitsmaßnahmen sind kein Hindernis, zumindest nicht zu Anfang. Aber das wirft eine weitere Frage auf: Wenn wir gezwungen sind, Sicherheitsleute auszuschalten, wie weit wollen wir gehen?«
Die Antwort war für mich so offensichtlich, dass ich einen Moment lang nicht wusste, worauf er hinauswollte. »Sie meinen …«
»Wir wollen um jeden Preis den Verlust von unschuldigem Leben vermeiden. Das ist unsere oberste Regel bei einem Kampfeinsatz«, erklärte Boaz.
»Entschuldigung, was genau ist unter ›um jeden Preis‹ zu verstehen? Und was meinen Sie mit ›Regel‹?«, fragte ich.
Er seufzte. »Nun ja, manchmal ist es eher eine Richtschnur als eine Regel. Die reale Welt kann ganz schön chaotisch sein. Aber wir geben uns alle Mühe.«
»Na schön, ich bin einverstanden mit ›alle Mühe geben‹«, sagte ich. »Genügt das?« Er nickte, und ich fuhr fort. »Tom hat eine Angelausrüstung besorgt. Die nehmen Sie mit, wenn Sie den Yachthafen auskundschaften. Überlegen Sie, wo Sie an Hilgers Stelle Wachen postiert hätten. Haben Sie einen drahtlosen Ohrhörer?«
Boaz nickte. »Klar.«
»Gut, ich auch. So halten wir Kontakt, während Sie da rumspazieren. Wir wissen nicht, was Sie rausfinden werden, also halten Sie mich einfach auf dem Laufenden. Wir werden improvisieren müssen.«
Boaz nickte erneut.
»Sie schlendern weiter herum, machen einen auf Hobbyangler, bis Sie die Ocean Emerald entdecken. Sobald Sie die gefunden haben, bringen Sie Ihre Ausrüstung in Bereitschaft. Und während Sie damit beschäftigt sind, gehe ich rein.«
»Was für eine Ausrüstung?«, fragte Kanezaki.
»Kann ich Ihre Sicherheitsbescheinigung sehen?«, fragte Boaz.
Kanezaki sah ihn böse an, und Boaz seufzte. »Bin ich denn der Einzige hier mit einem Funken Humor?«, sagte er. Er wandte sich an Naftali. »Naftali, das war doch witzig, oder?«
Naftali verzog keine Miene.
Boaz seufzte erneut und wandte sich an Kanezaki. »Tja, was will man machen … solche Geheimnisse kommen eh früher oder später raus. Können Sie was mit dem Begriff ›Active Denial System‹ anfangen?«
»Natürlich. Die Raytheon-Technologie. Eine nichttödliche Mikrowellenwaffe.«
Boaz lachte und sah mich an. »Schlauer Bursche.« Er erläuterte das Gerät in groben Zügen.
»Okay«, sagte ich, als er fertig war. »Wenn ich in Position bin, heizen Sie das Boot auf. Entweder setzt das die Leute an Bord außer Gefecht, was meine Chancen erhöht, sie zu überrumpeln, oder sie flitzen vom Boot wie von der Tarantel gestochen. So oder so, ich erledige jeden, der mir vor die Mündung kommt, und befreie Dox.«
»Dox wird drinnen festsitzen, wenn ich das Boot aufheize«, gab Boaz zu bedenken.
Ich nickte. »Ich entschuldige mich später bei ihm.«
»Haben Sie darüber nachgedacht, wie sie ihn gefangen halten? Ob er gefesselt ist und, wenn ja, wie?«, fragte Kanezaki.
Ich nickte. »Wenn er nur in einem Raum mit abgeschlossener Tür eingesperrt ist, schieß ich das Schloss auf. Falls er mit einem Seil gefesselt ist, ich hab ein Messer. Aber Sie haben recht, wenn sie ihn angekettet haben …«
Kanezaki lächelte. »Ich hab einen Bolzenschneider in einer Nylontasche im Van. Den soll Boaz tragen. Sie müssen mobil bleiben, damit Sie ungehindert schießen können.«
Ich nickte und lächelte ihn kurz an. »Zwei Köpfe sind tatsächlich besser als einer.«
Ich stellte mir kurz das Terrain vor. Wir hatten zu wenig Zeit für die Vorbereitung. Da war leicht etwas zu übersehen.
»Ich komme mit Dox vom Boot runter«, sagte ich.
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