Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
Aktivitäten ans Licht kämen, würden seine Kunden oder seine Geldgeber sich einfach schockiert zeigen und ihrer Bestürzung über diese »verbrecherische« Operation Ausdruck verleihen; sie würden die Wichtigkeit einer ordentlichen Kontrolle beteuern und gegebenenfalls eine unabhängige Expertenkommission einberufen, um die Regierung von jeglicher Mitschuld reinzuwaschen und sich auf einen geeigneten Sündenbock zu einigen. Danke fürs Mitspielen, Mr Hilger. Der nächste Kandidat bitte.
Es war wohl ganz normal, vermutete ich. Demokratie funktioniert nun mal nur durch gegenseitige Kontrolle und Gewaltenteilung. Aber wenn die Politiker denken, sie würden ein bisschen zu viel kontrolliert, suchen sie nach Umgehungen. Kann man es ihnen verübeln? Genauso gut könnte man es Wasser verübeln, wenn es versucht, um einen Stein herumzufließen. Es ist keine Frage von Schuld und Fehler; es ist eine Frage von Natur und Neigungen. Gäbe es für Hilgers Dienste, oder auch für meine, keine Nachfrage, gäbe es auch kein Angebot.
Ich fragte mich, wieso Hilger den Geschäftsführer einer von der CIA finanzierten Firma, die Technologien für Neuronalnetzwerk-Datenbanken entwickelte, eliminieren wollte. War Jannick in irgendeiner Weise ein Konkurrent? Kam er Hilger bei irgendwelchen Plänen ins Gehege, oder bedrohte er einen Markt, in den Hilger hineinwollte? Unmöglich zu sagen, vorläufig.
Um sicherzugehen, dass ich nichts übersehen hatte, ging ich die Möglichkeiten durch, wie Hilger versuchen könnte, mich aufzuspüren. Er würde annehmen, dass ich Jannick gleich als Erstes googeln würde. Wenn er Zugriff zu den Daten hatte, könnte er mit Suchanfragen nach Jan Jannick anfangen, die, sagen wir, eine Stunde nach unserem Treffen im Park Hyatt erfolgt waren. Ein Abgleich der Hits mit Servern in Vietnam, und schon hätte er die IP-Adresse des Computers, den ich benutzt hatte. Nur eine Vermutung, aber nicht unmöglich. Doch selbst dann wüsste er nicht mehr, als dass ich Jannick gegoogelt hatte, genau wie er erwartet hatte. Meine andere Internet-Aktivität würde ihm verborgen bleiben.
Ich nahm ein Taxi zu meinem Hotel, sammelte meine Ausrüstung ein und fuhr direkt zum Flughafen. Hilger mochte damit gerechnet haben und Leute an den Engstellen postiert haben – beim Einchecken vielleicht oder vor der Passkontrolle –, aber das bezweifelte ich. Zu viele Kameras, zu viel Sicherheitspersonal. Außerdem sagte mir mein Instinkt, dass er Jannick wirklich tot sehen wollte. Wenn ja, war ich bis dahin sicher.
Danach sah die Sache schon anders aus.
12
HILGER VERGEWISSERTE SICH DURCH eine spezielle Kontrollroute, dass weder Rain noch sonst wer ihm folgte, und ging dann Richtung Sheraton, seinem Treffpunkt mit Demeere. Er bewegte sich langsam durch die schweißtreibende tropische Abendhitze, nahm nur schwach die Feuchtigkeit und den Geruch nach Diesel und Gewürzen, die er nicht benennen konnte, wahr, ignorierte das unablässige Hupen, die Rufe der Motorradtaxifahrer auf Kundenfang, das allgegenwärtige Heulen von Zweitaktermotoren.
Das mit Rain war knapp gewesen, verdammt knapp. Wenn der Mann im Góc Saigon geblufft hatte, dann besser, als Hilger es je erlebt hatte. Als er Rains Messer am Hals spürte und den Ausdruck in seinen Augen sah, hatte er ernsthaft gedacht, er wäre erledigt. Er hatte gedacht: Ich hab mich verrechnet, Dox ist ihm egal, der verrückte Saukerl sticht mich gleich ab.
Hilger war schon zweimal dem Tod so nah gekommen. Das erste Mal in Bagdad, als ein plötzliches Niesen von dem allgegenwärtigen Sand und Staub ihm den Kopf minimal zur Seite gerissen hatte, gerade weit genug, dass eine Heckenschützenkugel ihm nur die Kopfhaut aufritzte, statt ihm den Schädel wegzupusten. Er hatte die Artillerie gerufen, und eine Minute später war der Heckenschütze vaporisiert. Beim zweiten Mal hatte sein Gewehr geklemmt, und er hatte sich einem von Saddams Fedajin im Nahkampf stellen müssen. Der Mann hatte versucht, Hilger mit einem Beduinenmesser aufzuschlitzen, das an Hilgers Schutzweste abgebrochen war, und Hilger schlug ihn mit dem Schaft seines Gewehrs k. o. und dann mit dem Kolben tot, zermatschte ihm förmlich den Schädel. Beide Male war die anfängliche Euphorie einem Gefühl von Fassungslosigkeit angesichts des Wunders gewichen, noch am Leben zu sein – gefolgt von einer langen Phase, in der er über die Vergänglichkeit von allem nachdachte. Zweimal war er um Haaresbreite dem Tod entgangen, einmal davon im
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