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Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Kenmare Street, bog dann links ab in die Mott, also in die entgegengesetzte Richtung von der, aus der ich ihn gestern hatte kommen sehen. Dann gleich rechts in die Broome, wieder rechts in die Crosby Street und dann auf einen Parkplatz zwischen Spring und Prince. Und auf einmal fiel bei mir der Groschen. Ich wusste, was er hier wollte.
    Ich fahr an dem Parkplatz vorbei, bog nach rechts auf die Houston, dann wieder rechts auf die Mott, denselben Block, von dem ich ihn gestern hatte auftauchen sehen. Ich wartete an der Kreuzung von Mott und Prince, aber ich sah ihn nicht kommen. Falls ich mich irrte, hatte ich ihn jetzt verloren und konnte die Verfolgung erst wieder aufnehmen, wenn er mit seinem Auto weiterfahr. Aber ich wusste, dass ich mich nicht irrte. Es hatte deutliche Anzeichen gegeben; ich war bloß durch die Gedanken an Midori und Koichiro zu abgelenkt gewesen, um eins und eins zusammenzuzählen.
    Accinelli hatte eine Geliebte.
    Wieso hatte er noch seine Golfklamotten angehabt, als ich ihn gestern sah? Wieso hatte er es so eilig gehabt, zuerst zu Fuß und dann auf dem Highway? Und er war nicht zum Einkaufen hier gewesen – er hatte keine Tüten dabeigehabt.
    Ich malte es mir aus: Er erzählt seiner Frau, er fährt zum Golfspielen in den Club, und das macht er auch, weil es wichtig ist, dass er dort gesehen wird, dass seine Kumpel unabsichtlich für ihn bürgen, ihm unwissentlich ein Alibi geben. Aber er spielt nur neun Löcher, keine achtzehn. Der Unterschied verschafft ihm ein Zeitfenster von zwei Stunden. Er will die Zeit so weit wie möglich ausnutzen, deshalb zieht er sich nicht mal um. Ja, er will die Sachen extra anbehalten, will sie tragen, wenn er wieder nach Hause kommt. Und dann bleibt er zu lange und muss sich sputen, damit er zu Hause ist, ehe seine Frau misstrauisch wird.
    Und wieso heute der andere Parkplatz? Alles andere, was mir an Accinelli aufgefallen war, deutete darauf hin, dass er sich gern an feste Gewohnheiten hielt – was meiner Ansicht nach dumm war, denn mal ganz abgesehen davon, dass Hilger ihn eliminieren wollte, machten ihn sein Reichtum und sein Format zu einer verlockenden Beute für Kidnapper. Aber heute war er praktisch direkt an dem Parkplatz auf der Bowery vorbeigefahren, weil er zu einem anderen wollte, der keine halbe Meile entfernt lag. Warum der Wechsel und warum erst jetzt? Vielleicht weil er nicht jedes Mal, wenn er herkam, von demselben Parkplatzwächter gesehen werden wollte?
    Ich hatte schon Ähnliches beobachtet. Wenn dein Job zum erheblichen Teil darin besteht, Leuten unauffällig zu folgen, Gewohnheiten auszuspähen, die du dir zunutze machen kannst, nimmst du jede Menge Verhaltensweisen wahr, die anderen Menschen entgehen. Drogen. Prostitution. Glücksspiel. Affären. Heimliche Homosexualität. Abhängigkeiten und Zwänge, Sehnsüchte und Gelüste. Die wirkliche Welt, das Es, die dunklen Konstanten unserer Natur.
    Vielleicht war es keine Geliebte. Vielleicht war es ein Liebhaber oder ein Lustknabe oder so. Mein Instinkt sagte mir, dass es eine Geliebte war, aber es spielte eigentlich keine Rolle. Entscheidend war nur, dass ich einen neuen Ansatzpunkt hatte, einen, der mir möglicherweise mehr Spielraum ließ als sein Haus oder seine Firma.
    Ich überquerte die Prince und parkte verbotenerweise vor einem Hydranten auf der anderen Seite der Mott. Ich rechnete nicht damit, länger als fünf Minuten warten zu müssen, und die Bestätigung meines Verdachts war mir so wichtig, dass ich dafür auch das Risiko in Kauf nahm, mir einen Strafzettel einzuhandeln, denn die Tatsache, dass der BMW heute hier stand, würde wohl kaum je von irgendwem als bedeutsam eingestuft werden.
    Ich hatte Mütze und Sonnenbrille aufgesetzt, als ich ausstieg und die Mott hochging, Atemwolken vor dem Mund. Weiter vorne krochen Pkws und Lkws die Prince Street entlang, Getriebe knirschten, ab und zu ertönte eine Hupe. Ich hörte irgendwo Kinder kreischen und lachen, vermutlich auf einem Schulhof in der Nähe. Bauarbeiter rissen die Straße auf, um die Kanalisation freizulegen, und einen Moment lang übertönte das explosive Rattern eines Presslufthammers alles andere. Als ich die Prince erreichte, blickte ich nach links, und voilà, da war er auf der anderen Straßenseite, in einem marineblauen Anzug, und kam in meine Richtung. Die Fußgängerampel zeigte Rot, und als guter, gesetzestreuer Bürger wartete ich auf Grün. Ich ließ Accinelli Zeit, nach links auf die Mott zu biegen, und gönnte

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