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Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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stand ein Nachname. Ich las die Liste rasch durch. Keiner der Namen sagte mir etwas, und ich bezweifelte, dass einer davon für das, was unweigerlich passieren würde, irgendwie von Bedeutung war.
    Ich ging die Straße zweimal rauf und runter und prägte mir alles genau ein: wo ich – oder jemand anderer – am besten Beobachtungsposten beziehen würde; von welchen Läden oder Cafés aus man die Straße gut im Blick hatte; wie die Leute gekleidet waren und was sie machten. Die Atmosphäre war nicht gerade ruhig, aber es ging auch nicht hektisch zu. Es war noch ein bisschen früh für den Lunch, und einige Geschäfte hatten noch nicht mal geöffnet. Accinelli bevorzugte wahrscheinlich Besuche um diese Uhrzeit, zum einen, weil da noch relativ wenig Leute unterwegs waren, zum anderen, weil er so die Ausrede »Geschäftsessen« hatte.
    Ich ging zurück zum Wagen und stellte erleichtert fest, dass meine Parksünde ungeahndet geblieben war. Nachdem ich mehrmals um den Block gefahren war, um mir alle wichtigen Details fest einzuprägen, weitete ich meine Besichtigungstour auf die größere Umgebung aus. Schließlich fand ich einen Parkplatz auf der Bleecker Street, wo ich wartete und den iPhone-Bildschirm im Auge behielt. Um fünf nach halb eins fuhr der Mercedes los. Ich folgte ihm in einiger Entfernung, nur für den Fall, dass er irgendwo haltmachte und sich eine Gelegenheit bot. Aber ich bezweifelte das. Im Augenblick konnte er sich noch mit einem zweistündigen »Lunch« herausreden. Er würde die Sache nicht überstrapazieren wollen.
    Ich hatte recht. Er fuhr direkt zurück und bog um Punkt eins auf den Firmenparkplatz.
    Ich kutschierte noch eine Weile ohne bestimmtes Ziel herum und ließ mir alles, was ich soeben gesehen hatte, erneut durch den Kopf gehen – die Örtlichkeiten, die Möglichkeiten, den Ablauf, die Risiken. Accinelli würde sein heimliches Liebesnest wieder aufsuchen, da war ich sicher. Vermutlich waren sein Zeitplan und die eingeschränkte Fähigkeit, plausible Erklärungen für zweistündige Abwesenheiten zu erfinden, die einzigen Hinderungsgründe. Die Mittagszeit wäre in der Regel praktisch. Und selbst wenn es einer Sekretärin suspekt vorkam, dass er bestimmte Termine immer selbst vereinbarte, anstatt es ihr zu überlassen, na und? Wollte sie wirklich mit einer indiskreten Bemerkung, die einem mächtigen Mann wie ihrem Boss zu Ohren kommen könnte, ihren Job riskieren?
    Ich dachte an den Fahrradkurier, den ich gesehen hatte, und ganz allmählich nahm ein Plan in mir Konturen an. Ich begann mit den allgemeinen Rahmenbedingungen und baute dann Details ein. Ich stellte Was-wenn-Fragen und spielte Wenn-dann-Spielchen. Der Plan gefiel mir. Er war nicht perfekt, und es gab Risiken. Aber die gibt es immer. Und ich bezweifelte, dass sich mir eine bessere Chance als die Mott Street bieten würde.
    Ich suchte mir in Great Neck einen Fahrradhandel, wo ich das billigste Zwölf-Gang-Rad kaufte, das sie im Angebot hatten, dazu ein Paar lange Neoprenfahrradhandschuhe, eine Fleece-Balaklava und einen Helm, einen raffinierten Seitenspiegel, genannt »Drittes Auge«, der am Bügel einer Sonnenbrille befestigt wurde, und schließlich ein neunzig Zentimeter langes Kettenschloss aus gehärtetem Stahl mit dem Namen Kryptonite Fahgettaboudit. Als Nächstes besorgte ich mir in einem Bürobedarfsgeschäft einen großen Karton Verpackungschips aus Styropor. Meine letzte Station war ein Baumarkt, wo ich eine Feile, einen Pinsel und zwei Dosen Lackfarbe erstand – Schwarz und Schlammbraun. Ich wischte alles ab und fasste die Sachen danach nur noch mit den Handschuhen an.
    In einem Park in der Nähe, nicht weit von jungen Müttern, die ihre Kleinen in Kinderwagen schoben oder auf Schaukeln anschubsten, strich ich den Fahrradrahmen an, zuerst mit dem schwarzen Lack, wobei ich nicht besonders sorgfältig zu Werke ging. Das Rad sollte bloß alt aussehen oder so, als wäre es angepinselt worden, um für Diebe weniger verlockend zu sein. Später, an einem ungestörteren Ort, würde ich die Seriennummer bis aufs Metall darunter abfeilen.
    Während ich vor mich hinpinselte, ließ ich meinen Gedanken freien Lauf. Natürlich kam mir wieder Koichiro in den Sinn. Kein Wunder, wo ich ihn doch erst kurz zuvor gesehen hatte und wusste, dass er ganz in der Nähe war. Und wo ich jetzt in Hörweite all dieser jungen Mütter mit ihren Kindern war und mitbekam, wie sie lachten und plauderten und über das tratschten, was in der Nachbarschaft

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