Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
Herz begann zu rasen. Aber sie achtete nicht auf den Bürgersteig; sie hielt Ausschau nach einem Taxi. Und außerdem standen die Raucher zwischen uns. Sie hätte mich nicht sehen können.
Sie trug eine hüftlange schwarze Lederjacke. Ihr Haar war so lang und üppig, wie Dox es beschrieben und ich es in Erinnerung hatte. Ich wünschte, ich hätte ihr näher sein können. Ich wollte mehr sehen.
Dennoch gab mir ihre Arglosigkeit zu denken. Sie hatte nicht mal in beide Richtungen geschaut, als sie aus dem Club kam, geschweige denn die Stellen überprüft, die sich für eine Überwachung am meisten anboten. Dann hätte sie nämlich im Nu den jungen Chinesen entdeckt. Der stand genau da, wo man es erwarten würde.
Sie hielt ein Taxi an und stieg ein. Der Chinese machte keine Anstalten, ihr zu folgen. Er blieb noch eine Minute stehen, rauchte seine Zigarette zu Ende und ging dann in die Richtung, wo ich stand. Ich verschwand in der Bar und beobachtete durch die Glastür, wie er vorbeischlenderte. In der Bar war es dunkler als draußen auf dem Bürgersteig im Licht der Straßenlampe, und da das Licht außen in der Scheibe reflektierte, wusste ich, dass der Bursche mich selbst dann nicht sehen könnte, wenn er herschauen würde. Ich jedoch konnte ihn deutlich sehen.
Als er sicher vorbei war, schlüpfte ich aus der Bar und heftete mich an seine Fersen. Ich wusste, dass Dox mir wie geplant folgen würde.
Ich hielt großzügig Abstand, für den Fall, dass der Junge sich umdrehen würde, was er aber kein einziges Mal tat. Er ging einfach in südöstlicher Richtung nach Chinatown, wo er einen schmuddeligen Nudelimbiss auf der Mulberry Street betrat, gegenüber vom Columbus Park. Ich überquerte die Straße und ging an der Parkseite daran vorbei. Ich sah, wie er sich zu einem älteren, korpulenten Chinesen mit Kahlkopf und Boxernase an den Tisch setzte.
Ich konnte nicht hören, worüber die beiden redeten, und selbst wenn, hätte ich wohl kein Wort verstanden, weil sie sich wahrscheinlich auf Chinesisch unterhielten. Aber ihre Körperhaltung verriet mir, dass sie nicht das beste Verhältnis zueinander hatten. Der Junge hing schlaff, fast mürrisch auf seinem Stuhl. Irgendwann sagte er wohl etwas Respektloses, denn der Kahlkopf erhob sich und ohrfeigte ihn, zweimal. Die Schläge sahen nicht sehr fest aus, eher so, als sollten sie demütigen und klarstellen, wer hier das Sagen hatte. Danach setzte sich der junge Chinese aufrechter hin, und der Kahlkopf nahm wieder Platz.
Dox ging am Restaurant vorbei, und ich wusste, dass er weitere Fotos schoss. Ohne Blitz würde das Ergebnis grobkörnig ausfallen, aber Tatsu hatte Leute, die die Qualität verbessern konnten. Dox kehrte zu seiner Position ein Stück hinter mir zurück, und wir beobachteten die beiden noch einige Minuten länger, was aber nicht viel aufschlussreicher war. Ich merkte mir Name und Adresse des Ladens, dann trafen wir uns vor dem Park und gingen in einen Diner, der rund um die Uhr geöffnet hatte, wo wir unsere Beobachtungen verglichen und den nächsten Abend planten.
Als wir fertig waren, sagte Dox: »Wenn das für heute alles ist, würde ich gern zurück zu dem Diner, wo ich die verlockende Miss Jasmine zurücklassen musste. Sie ist scharf auf mich, das spür ich.«
»Außerdem läuft ihre Parkuhr«, sagte ich.
Er lachte. »Ja, und zwar genau die Art Parkuhr, die ich liebend gern füttere. Wir sehen uns morgen, Amigo.«
Während Dox davoneilte, ging ich in ein Internetcafé, wo ich die Fotos und weitere Informationen für Tatsu ins Bulletin Board stellte.
Sobald ich alles geladen hatte, rief ich Tatsu an, um ihm Bescheid zu geben. Er klang nicht gut. Seine normalerweise leise, aber selbstsichere Stimme war heiser, und er hörte sich an, als würde ihm das Sprechen Mühe bereiten. Als ich nachfragte, sagte er, er habe die Grippe.
Ja, wir wurden beide älter. Ich wollte das alles möglichst bald hinter mich bringen.
7
A M NÄCHSTEN M ORGEN GING ICH in ein anderes Internetcafé und sah im Bulletin Board nach. Eine Nachricht wartete auf mich: Der junge Chinese hieß Eddie Wong. Er war ein ma jai, ein Fußsoldat bei einem New Yorker Zweig von United Bamboo, der taiwanesischen Triade, und der Nudelimbiss auf der Mulberry Street war ihr Hauptquartier. Wong war erst zweiundzwanzig, aber er hatte bereits ein beachtliches Strafregister, überwiegend Drogenschmuggel, aber auch Erpressung. Man wusste, dass er ein Balisong trug, das philippinische Butterflymesser,
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