Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
ist super«, sagte sie. »Es ist eigentlich ein Imitat, das unsere Techniker herstellen. Es ist aus Verbundmaterial, nicht aus Stahl. Nicht so stabil, wie es sein sollte, aber rasiermesserscharf, und das Allerbeste ist, dass Metalldetektoren nicht darauf reagieren. Ich hab’s im Flugzeug bei mir gehabt.«
Ich sah, dass das Messer anstelle eines Griffs ein ovales Loch hatte. Das ganze Teil war winzig, aber wenn sie es an den Fingern hatte, sah sie regelrecht aus wie ein Velociraptor.
»Und was hast du da unten?«, sagte Dox und blickte auf ihren Oberschenkel.
Sie hob eine Augenbraue.
Er wurde rot. »Ich meine …«, setzte er an.
Sie lächelte. »Ein Kydex-Holster.«
»Na, jetzt weiß ich, was ich mir zu Weihnachten wünsche«, sagte Dox und gab ihr das Messer zurück. Sie griff unter ihr Kleid und schob es zurück in sein Versteck.
Ich nahm die Kommunikationsgeräte aus einer Tasche und reichte ihr einen Sender und einen Ohrhörer. »Das ist die gleiche Ausrüstung wie die, die wir in Hongkong hatten«, sagte ich. »Wir sollten heute Abend einen Probelauf machen. Aber da du das Haar hochgesteckt trägst …«
»Ich werde den Ohrhörer in die Hand nehmen«, sagte sie, während sie den Sender knapp unterhalb des Ausschnitts in ihrem Kleid befestigte. »Wenn ich es schaffe, mal kurz allein zu sein, stecke ich ihn ins Ohr. Dann sehen wir ja, ob alles funktioniert.«
Ich nickte. »Wir könnten dich so verdrahten, dass Dox und ich hören können, was um dich herum passiert, nicht nur dich, wenn du in dein Kleid sprichst.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht in dem Outfit. Ich könnte die Beule von der Batterie nicht kaschieren. Und ich weiß nicht, wie es da im Club zugeht. Vielleicht werde ich betatscht.«
Ich nickte wieder. »Ja, du hast recht. Na, solange wir dich hören können, müsste alles in Ordnung sein.«
Sie warf einen Blick auf ihre Uhr, sah dann Dox und mich an. Sie lächelte, und ich begriff, dass ein Teil von ihr den Kick genoss, den der bevorstehende Einsatz in ihr auslöste.
»Okay, Jungs«, sagte sie. »Zeit, in meine Rolle zu schlüpfen.«
32
D ELILAH VERGEWISSERTE SICH MIT EINEM Kontrollgang, dass niemand sie verfolgte. Dann nahm sie ein Taxi nach Minami Aoyama. Sie bezweifelte, dass der Fahrer je vom Whispers gehört hatte, aber er verstand die Worte Aoyama-dori und Kotto-dori mühelos, und von dieser großen Kreuzung war es dann nur noch ein kurzes Stück zu Fuß. Sie war froh, dass sie sich am Nachmittag die Zeit genommen hatte, die Gegend zu erkunden. Es war ein gutes Gefühl, wenigstens ein paar Dinge zu haben, die ihr nicht mehr ganz so fremd waren. Der Rest der Stadt und diese Umstände waren weiß Gott verwirrend genug.
Sie wollte nicht, dass ihr Umgang mit Rain so verkrampft war, aber verdammt, sie war einfach so wütend auf ihn. All das hier hätte nie passieren dürfen. Er hatte überstürzt gehandelt, als er sein Kind besuchte, und dann hatte er Mist gebaut, genau wie sie in Barcelona befürchtet hatte. Und jetzt wurde sie in das Chaos, das sich daraus ergeben hatte, mit hineingezogen.
Normalerweise glaubte sie, eine ziemlich klare Linie im Leben zu haben. Aber diesmal waren ihre Gefühle völlig durcheinandergeraten. Sie war sauer auf Rain, weil er für die Situation verantwortlich war, die sie überhaupt erst dazu gebracht hatte, so etwas Schäbiges zu tun wie Midori in New York zu besuchen. Und während sie einerseits entsetzt, ja zerknirscht über das war, was sie getan hatte, fürchtete sie andererseits, dass Rain dahinterkommen würde. Sie wollte es irgendwie rückgängig machen und nahm es sich selbst übel, sich in eine Lage gebracht zu haben, dass sie etwas an ihm wiedergutzumachen hatte. Und zu all dem kam die schlichte Tatsache hinzu, dass sie ihn nach wie vor wollte. Auch deshalb war sie wütend auf ihn.
Sie schloss die Augen, atmete tief durch und ermahnte sich, jetzt nicht mehr darüber nachzudenken. Dazu hatte sie später noch Zeit. Im Augenblick war sie auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch. Sie ging noch einmal alle Einzelheiten der Rolle durch, die sie spielte, warum sie gekommen war, den Job, den sie wollte, ihre Hoffnungen und Ängste. Als sie an der Aoyama-dori, Ecke Kotto-dori aus dem Taxi stieg, war sie schon voll und ganz in ihre Rolle eingetaucht.
In dem Capelet und dem dünnen Kleid war ihr kalt, als sie in südlicher Richtung die Kotto-dori hinunterging, vorbei an einer faszinierenden Mischung aus Restaurants, Boutiquen, Büro- und
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