Tokio Vice
Zivilbeamte mit ausdruckslosen Gesichtern Kartons hinaustrugen, die vermutlich Unterlagen enthielten.
Das Amüsante an solchen Polizeirazzien war, dass alle vorher Bescheid wussten – die Presse und auch die Yakuza. Und wenn dem einmal nicht so war, dann informierte die Polizei die Yakuza rechtzeitig darüber, dass eine Durchsuchung bevorstand. Deshalb verlief auch immer alles glatt, und niemand wurde verletzt. Natürlich ist fraglich, wie viel nützliches Material diese Razzien dann noch lieferten.
Am Abend nach der Razzia tauchte Kajiyama mit seinem Anwalt bei der Polizei auf und stellte sich. Angeblich sagte er, er wolle »keinen weiteren Ärger mehr machen«. Schön und gut, damit war wieder einmal ein Yakuza hinter Gittern, aber die Presse durfte ihn immer noch nicht als Yakuza bezeichnen, weil die Polizei ihn noch nicht offiziell als solchen überführt hatte.
Das lag an den Anwälten – die Yamaguchi-gumi hatte eine Menge davon –, die immer schnell dabei waren, jemanden im Auftrag ihrer einflussreichen Mandanten zu verklagen. Eines der großen Probleme mit dem organisierten Verbrechen in Japan ist, dass das Ganze extrem gut organisiert ist. Angeblich wurden beispielsweise ohne viel Aufsehen zu erregen einige Vergleiche geschlossen, nachdem die Yakuza private Bonitätsprüfer verklagt hatte, die so mutig gewesen waren, ein Yakuza-Unternehmen als Tarnfirma zu bezeichnen.
Und der Kajiyama-Tanz ging weiter. Der Kaiser wurde auf freien Fuß gesetzt, die Polizei nahm ihn wieder fest, er wurde erneut entlassen, die Polizei verhaftete ihn wegen anderer Delikte. Er gestand nie
etwas.
Das große Rätsel war: Wo war das viele Geld geblieben? Einen enormen Teil seiner Profite musste die Yamaguchi-gumi geschluckt haben – aber wo versteckte sie das Geld? Es tauchte bei keiner japanischen Bank auf. Wie wurde es gewaschen? Wenn man davon ausging, dass mehr als 60 000 Opfer illegale und extrem hohe Zinsen bezahlt hatten, dann ging es dabei um astronomische Beträge. Die Polizei schätzte den Umsatz der Gruppe auf mehrere Milliarden Dollar. Sobald sie herausfinden würde, welche Wege das Geld nahm, wäre der Fall gelöst.
Chuckles bat mich, die Tarnfirmen des Imperiums zu überprüfen.
Am 20. wurde ich um drei Uhr morgens von der Nummer drei des Ressorts für Mord geweckt. Die Asahi hatte einen Artikel über
Kajiyamas Firma gebracht und behauptet, dass zwei Mitarbeiter dort Yakuza seien und dies ein Indiz dafür sei, dass der Mann Kontakte zur Yakuza habe. Ich sagte ihm, dass das meiner Meinung nach nichts Neues war. Andere hatten dies schon früher geschrieben, und wir hatten uns damit nicht abgegeben. Ich riet ihm außerdem, Chuckles zu informieren. Aber er erwiderte, dass sie nicht erreichbar sei.
Also fragte ich bei einigen Polizisten nach, bevor ich ins Büro ging, um eine Bestätigung für diesen Artikel zu erhalten. Doch ich erfuhr nichts.
Als ich im Büro eintraf, erzählte Harry Potter, dass die Mainichi am Sonntag einen Artikel über die Leiterin einer buddhistischen Gruppe abgedruckt habe, die ohne ihr Wissen als Bürge für eine Grundschuld für eine Immobile von Kajiyama eingetragen worden sei und nun vielleicht zur Polizei gehen wolle.
Als ich daraufhin die Grundbuchauszüge, die Kajiyamas Immobilien betrafen und uns in Kopie vorlagen, durchblätterte, fand ich nichts, was der Immobilie ähnelte, um die es in dem Artikel ging. Ich versuchte, irgendwelche Unterlagen zu seinem 900 000-Yen-Apartment in Minato-ku zu bekommen, fand aber nichts, weil es sich um eine Mietwohnung handelte.
Ich schrieb dann einen Artikel, der besagte, dass Kajiyamas Name auf der Mitarbeiterliste der Jinnai-gumi gestanden habe, bevor sein Chef die Karriereleiter emporgestiegen und Vorstandsvorsitzenden der Goryo-kai geworden war, einer Untergruppe der Yamaguchi-gumi. Das hieß also, dass Kajiyama bis vor einem Jahr ein registriertes Mitglied der kriminellen Yamaguchi-gumi gewesen war.
Was war der Sinn des Ganzen? Ich wollte auf meine Weise nachweisen, dass der Kaiser ein Yakuza war und dass sein ganzes Imperium der Yakuza gehörte. Wenn es nach mir ging, konnten die Ermittlungen weitergehen, dann hätte ich irgendwann bestimmt meinen Knüller.
Harry würdigte meine Anstrengungen, meinte aber: »Es ist eine Story, aber keine wirklich großartige. Das Besondere ist meiner Meinung nach, dass mehrere Hundert Nicht-Yakuza keine Hemmungen haben, für Kredithaie zu arbeiten. Das ist ein Aspekt, den noch niemand erwähnt hat. Wir
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