Tokio Vice
mit meiner Erklärung zufrieden.
»Sie haben einen Freund bei der CIA? Ich habe schon immer geahnt, dass hinter Ihrem vertrottelten Erscheinungsbild mehr steckt. Aber jedes Mal, wenn ich mit Ihnen rede, verwerfe ich den Gedanken wieder. Nun ja, es ist sicher eine gute Sache, eine wichtige Sache. Und die Bezahlung hört sich gut an. Aber Ihre Familie bleibt in Amerika, oder?«
»Selbstverständlich.«
»Gut. Denn was Sie vorhaben, ist gefährlich. Erlauben Sie mir ein paar Worte zu den Yakuza. Sie dürfen schreiben, was Sie wollen, solange es um Bandenkriege, Tätowierungen oder sexuelle Ausbeutung geht. Aber wenn Sie herausfinden wollen, womit die wirklich ihr Geld verdienen, welche Firmen ihnen gehören, dann begeben Sie sich auf ein gefährliches Pflaster. Machen Sie sich nichts vor – der Menschenhandel ist eine Einkommensquelle für diese Leute. Kinderpornografie. Prostitution. Das alles bringt ihnen große Profite ein. Diesen Leuten geht es nur um Geld, und Ihre Artikel könnten ihnen das Geschäft verderben.«
Ich wollte wissen, ob er glaubte, dass mein »Waffenstillstand« mit Goto halten würde.
»Ich bin ziemlich sicher, dass er von Ihrer Kündigung bei der Yomiuri weiß. Nein, ich bin ganz sicher. Für ihn sind Sie ein ehemaliger Reporter. Sie können jetzt tun, was Sie wollen, solange er nichts davon erfährt. Aber Sie müssen äußerst vorsichtig sein. Tokio ist sein Revier, und Sie laufen ohne Erlaubnis darin herum. Seien Sie sehr, sehr vorsichtig, wenn Sie für Ihren Bericht recherchieren. Achten Sie genau darauf, wen Sie anrufen, wen Sie treffen, was Sie sagen. Kapiert?«
Ich nickte. Während wir weiterplauderten, kam seine Frau mit ihren Töchtern nach Hause.
Wir umarmten uns und unterhielten uns eine Weile. Frau Sekiguchi machte Yakisoba für uns, dann massierte sie ihrem Mann die Beine, die steif wie Bretter waren, wohl eine Nebenwirkung der Chemotherapie.
Nach etwa einer Stunde rief ich ein Taxi. Sekiguchi brachte mich noch zur Tür und bedeutete seiner Frau und seinen Kindern, im Zimmer zu bleiben.
Dann gab er mir die Kiste mit den Zigaretten und die geöffnete Packung zurück und sagte: »Danke, aber genug damit. Doch ich weiß die gute Absicht zu schätzen.«
»Kann ich verstehen. Ich wollte, ich könnte mehr für Sie tun.«
Er schüttelte nur den Kopf und wedelte abwehrend mit den Händen.
»Jake, ich kenne Sie jetzt seit einem Jahrzehnt. Kaum zu glauben, nicht? Sie haben viel erreicht, seit Sie ein naiver kleiner Jungreporter waren. Ich bin stolz darauf, Sie zu kennen. Ich glaube, Sie tun das Richtige, aber Sie müssen vorsichtig sein. Denken Sie auch an die Menschen, die Sie lieben. Wenn Sie sich mit sexueller Sklaverei befassen, treten Sie vielen Leuten auf die Zehen. Manche ziehen sich dann vielleicht zurück ... Melden Sie sich.«
Dann klopfte er mir fest auf die Schulter, wartete, bis ich ins Taxi eingestiegen war, und winkte mir zum Abschied. Seine Frau und die Kinder kamen ebenfalls heraus und winkten mir zu.
Seine Warnung zeigte mir, dass er mich mochte, was mich freute, aber ich war kein unerfahrener Reporter mehr, der den Unterschied zwischen Taschendiebstahl und bewaffnetem Raub nicht kennt. Ich wusste, was ich tat. Das glaubte ich zumindest.
Zurück im Revier
Es ist schwer, sich vorzustellen, wie es ist, wenn man keine Luft mehr bekommt. Und es ist noch schwerer, sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, wenn man keine Luft mehr bekommt, weil ein Yakuza-Schläger einen gegen die Wand drückt und dabei die eine Hand den Hals zudrückt, die andere Hand einem in die Rippen boxt und die Füße in der Luft baumeln.
Aber Sie wären überrascht, welche Gedanken einem dabei durch den Kopf gehen.
Ich stand am Eingang einer sogenannten »russischen Kneipe«, einem Zentrum des Menschenhandels in Tokio. Die Frauen wurden aus Russland, der Ukraine und anderen Ländern herbeigeschafft, angeblich um als Hostessen zu arbeiten. Aber sie wurden schnell der Yakuza übergeben, die sie dann als Prostituierte arbeiten ließ.
Dieser Club befand sich im zweiten Stock eines dreistöckigen
Gebäudes in Ikebukuro, was wörtlich »Tümpelsack« bedeutet. Die Gegend wurde ihrem Namen wirklich gerecht. Der Club hieß »Moscow Mule«.
Er war einer der neueren Clubs. Helena hatte mir von ihm erzählt, und ich wollte ihn mir ansehen. Wie bei den meisten Clubs dieser Sorte war Ausländern der Eintritt verboten. Das Problem mit Ausländern besteht darin, dass ihnen die anderen Ausländer leid
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