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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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verschärft. Es ist eine Straftat, eine Schusswaffe zu besitzen oder abzufeuern, und wenn jemand mit einer Schusswaffe verletzt oder getötet wird, gilt das als strafverschärfender Umstand. Das hat zu einer Renaissance des japanischen Schwertes als bevorzugte Waffe der Yakuza geführt, und darum trug ich eine Boha -Weste.
    Mit meinen Nachforschungen kam ich gut voran. Meine Aufgabe war nicht, die Opfer aufzuspüren, sondern die Täter zu entlarven – die Ausmaße der Sexsklaverei zu ermitteln und diesen ganzen Bereich detailliert zu beschreiben. Ich sollte herausfinden, wie die Frauen ins Land gebracht wurden, wer sie ins Land brachte, wer davon profitierte und welche Politiker und Bürokraten den Menschenhändlern halfen. Ein ehemaliger Beamter der Einwanderungsbehörde verriet mir den Namen eines japanischen Senators – Koki Kobayashi –, der ihn persönlich dazu gedrängt hatte, nicht mehr gegen die illegalen Sexclubs vorzugehen. Und ich kannte den Namen einer Organisation, die als Art Lobby für Menschenhandel fungierte – Zengeiren. Ihre Jahrestreffen fanden in der Zentrale der Liberaldemokratischen Partei (LDP) statt. Unglaublich!
    Da noch nicht viel Zeit vergangen war, seitdem ich Polizeireporter gewesen war, war mein Informationsnetz noch intakt. Natürlich brauchte ich Hilfe, daher rief ich Helena an und lud sie zum Essen ein, zumal ich gehört hatte, dass sie sich von ihrem Verlobten getrennt hatte und daher etwas niedergeschlagen war. Ich konnte nicht nur ein wenig Hilfe gebrauchen, sondern wollte sie auch aufheitern. In Nishi-Azabu gab es ein großartiges japanisches Restaurant mit halbprivaten Räumen, gut beleuchtet und ruhig. Wir hatten ausgemacht, uns vor dem Haus zu treffen.
    Ich wartete draußen an der Treppe, und sie fuhr mich mit ihrem Motorrad fast über den Haufen. Ich musste zurückspringen. Dann parkte sie, nahm den Helm ab, schüttelte ihr langes Haar und lachte. Sie trug ihre übliche Lederjacke, eng anliegende Bluejeans und ein kariertes Hemd, das aussah, als habe sie es einem mageren Holzfäller gestohlen. Ihr Lippenstift war rabenschwarz. Sie sah großartig aus – etwas müde, aber großartig.
    »Hallo, du Arsch, lange nicht gesehen.«
    »Arsch? Damit kannst du ja unmöglich mich meinen.«
    »Du weißt doch, dass ich das nett meine.«
    »Ja, klar.«
    Irgendwie überredete sie mich zu einer Fahrt auf ihrem Motorrad. Als ich noch Reporter gewesen war, hatte sie mich ein paar Mal nach Hause gefahren, und ich hatte nach der Fahrt kaum noch stehen können, weil ich die Maschine so fest mit den Beinen umklammert hatte. Ich stieg auf, legte die Arme um ihre Taille, und sie warf ihren Helm ins Gebüsch neben dem Restaurant. Als ich protestierte, rief sie nur: »Genieß das Leben, Jake. Das wird dir gut tun. Vertrau mir!«
    Sie ließ den Motor aufheulen, und bevor sie die Bremse löste, blickte sie über die Schulter und sagte: »Schön, dich wiederzusehen. Ich wusste, dass du nicht lange fortbleiben kannst.«
    Dann fuhren wir los. Wahrscheinlich genoss sie es, dass ich mich schrecklich fühlte. Sie raste durch Gassen, jagte bei Rot über Kreuzungen und kurvte wild herum. Ich hatte keine Ahnung, wohin sie fuhr.
    20 Minuten lang rasten wir ziellos umher, vorbei an den Ruinen des Verteidigungsministeriums, dann die Roppongi-dori entlang und zum Schluss zurück zum Restaurant.
    Dort sprang sie leichtfüßig vom Motorrad ab, während ich mich mühsam herunterschälte.
    Dann lächelte sie mir zu, holte ihren Helm, und wir gingen wortlos die Treppe hinauf, um zu essen. Dort weihte ich sie in meine neue Tätigkeit ein und erklärte ihr, warum meine Rückkehr in die Heimat nicht ganz geklappt hatte. Dann unterhielten wir uns über gemeinsame Freunde, ich berichtete von meinen Nachforschungen und sie von ihrer Arbeit.
    Sie schämte sich immer noch nicht wegen ihres Jobs. Sie sprach so darüber, wie ich mit befreundeten japanischen Reportern über unser Handwerk sprechen würde. Wie sich herausstellte, war einer ihrer treuen Kunden ein Kollege, den ich flüchtig kannte.
    »Hast du deinen Job eigentlich immer noch nicht satt?« Das hatte ich sie immer schon fragen wollen. Und ich fand auch, dass sie viel mehr aus sich hätte machen können.
    »Weißt du, irgendwie mag ich meine Arbeit. Ich habe ja versucht, Englisch zu unterrichten, und dabei ganz gut verdient, aber ich hasse diesen Job. Vor allem wenn ich mich mit Grammatikfreaks herumärgern muss. Wie lautet der Imperativ des Plusquamperfekts? Wen

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