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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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Ich hatte alle wichtigen Daten, konnte aber nichts damit anfangen. Eine Zeitschrift versicherte mir, dass sie die Story drucken würde, wenn ich eindeutigere Beweise beschaffen könnte. Also machte ich heimlich einen Abstecher an die amerikanische Westküste und sprach mit einem Kunsthändler, der für die Goto-gumi Geld wusch. Doch das Gespräch war ein totaler Reinfall.
    Ich konnte nicht herbeischaffen, was die Zeitschrift wollte und forderte. Mein Gefühl, dass mir alles aus den Händen rutschte, wurde immer stärker. Als ich am Abend in meinem Hotel saß, las ich Das Handbuch für den perfekten Selbstmord und überlegte, ob ich seine Tipps ausprobieren sollte. Es schien eine Alternative zu sein. Viele japanische Versicherungen zahlen die Prämie nach Ablauf einer bestimmten Zeit auch nach einem Freitod aus. Wenn ich mir das Leben nähme, wäre meine Familie versorgt, und Goto hätte keinen Grund mehr, jemanden zu belästigen, der mir nahestand. Vor zehn Jahren hätte ich mir niemals vorstellen können, auch nur im Entferntesten zu erwägen, mich den vielen Unglücklichen anzuschließen, die sich an die Vorschläge des Handbuchs gehalten hatten. Aber jetzt war ich unzufrieden mit mir selbst und machte mir Sorgen – über alles.
    Ich war richtig deprimiert, und hätte mich nicht rechtzeitig die richtige Person angerufen, wäre ich vielleicht diesen Weg gegangen, obwohl ich mich schäme, es zuzugeben.
    Schließlich beschloss ich, die Geschichte selbst zu schreiben – auf Englisch. Ich rauchte eine Zigarette, betrachtete die aufgehende Sonne und bereitete mich auf den Rückflug nach Japan vor. Dann wusste ich plötzlich, was ich tun musste. Ich hätte wissen müssen, dass mein Artikel auf keinen Fall zuerst in Japan veröffentlicht werden würde, daher hätte ich von Anfang an anders vorgehen müssen.
    Ich ging davon aus, dass die Zeitung des Foreign Correspondents’ Club of Japan (FCCJ) den Artikel drucken würde. Aber auch das war ein Irrtum. Nachdem ich ihn eingereicht hatte, schickte mir ein Redakteur versehentlich eine E-Mail, deren Tenor lautete: »Das FBI soll einem berüchtigten Yakuza ein Visum gegeben haben, damit er sich eine neue Leber einpflanzen lassen kann? Das klingt total unglaubwürdig. Der Typ hat wohl eine Macke.«
    Das tat weh. Natürlich wusste ich, dass ich den Eindruck eines Spinners erweckte und sich die Geschichte unglaublich anhörte.
    Ich setzte mich nun mit allen Leuten in Verbindung, die ich kannte. Dann stellte ein Freund der Familie mich John Pomfret vor, einem Redakteur der Washington Post . Auch er hielt mich zunächst für verrückt, was ich ihm nicht vorwerfen konnte. Als er nach Beweisen fragte, gab ich ihm alles, was ich hatte, etwa 100 Seiten.
    Keiner meiner Artikel war jemals so gründlich geprüft worden wie dieser. Ich beantwortete jeden Tag stundenlang Fragen, überprüfte Fakten und Informanten, bis Pomfret nach mehr als einem Monat endlich zufrieden war. Schließlich erhielt die Washington Post vom FBI die Bestätigung, dass ich die Wahrheit sagte. Und am 11. Mai wurde der Artikel dann veröffentlicht. Auch der FCCJ druckte ihn ab, allerdings ohne Gotos Namen zu nennen.
    Vor der Veröffentlichung hatte ich ein Mitglied einer anderen
bedeutenden Gruppe innerhalb der Yamaguchi-gumi kontaktiert. Ich wusste, dass diese Männer Goto für einen Unruhestifter
hielten.
    Ich teilte ihm mit, dass ich einen Artikel auf Englisch über Tadamasa Gotos Handel mit dem FBI schrieb, und bat um eine Stellungnahme der Yamaguchi-gumi-Führung. Natürlich rechnete ich nicht wirklich damit, eine zu erhalten. »Ich möchte wissen, ob die Führung der Yamaguchi-gumi mit diesem Handel einverstanden war und wenn ja, warum. Ist das ein Problem?«
    Dann gab ich ihm den englischen Artikel und meine Übersetzung. Er las sie sofort, zeigte jedoch keinerlei Reaktion.
    Ein paar Tage später rief er mich an und meinte sehr höflich.
    »Wir haben keinen offiziellen Standpunkt dazu. Wie Sie wissen, gibt die Yamaguchi-gumi keine Interviews und keine Kommentare. Aber ich wurde beauftragt, Ihnen dafür zu danken, dass Sie uns auf diese Sache aufmerksam gemacht haben. Wir wussten nichts davon. Wir würden das Ganze wirklich gerne intern regeln. Natürlich ist uns klar, dass Sie eine Menge Arbeit investiert haben, und wir würden Sie gerne für Ihre Zeit und Ihre Bemühungen entschädigen.«
    Da mir nicht klar war, was er damit meinte, fragte ich ganz unverblümt: »Ich bin kein Japaner, ich bin Ausländer und

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