Tokio Vice
Isshukuippaku no ongi. Das ist eine japanische Redensart, die Sie kennen sollten. In der Yakuza-Welt ist damit der Dank gemeint, den Sie jemandem schulden, der Sie für eine Nacht aufnimmt und verköstigt. Sie haben mich aufgenommen und sich um mich gekümmert, deshalb stehen meine Familie und ich in Ihrer Schuld. Und ich bezahle meine Schulden immer. So wie es sich für einen echten Yakuza gehört.«
»Ich schätze Ihre Einstellung, aber …«
»Dann respektieren Sie bitte, was ich sage. Ich werde es tun. Was für ein Mann wäre ich denn, wenn ich kneifen würde? Ich wäre überhaupt kein Mann.«
»Und was erwarten Sie von mir?«
»Versuchen Sie nicht, mich zu rächen, wenn mir etwas zustößt. Lassen Sie es auf sich beruhen. Sie sind kein Yakuza, aber Sie sind ein guter Mann. Versprechen Sie, dass Sie sich um meinen Sohn kümmern – sorgen Sie dafür, dass er eine gute Ausbildung erhält, dass er gut erzogen wird. Das erwarte ich von Ihnen, darum bitte ich Sie.«
»Natürlich werde ich das tun. Wenn Ihnen etwas passiert, adoptiere ich ihn. Und was soll ich ihm dann über seinen Vater erzählen?«
»Sagen Sie ihm, dass sein Vater ein Yakuza war, einer der letzten richtigen Yakuza, und dass er verdammt stolz darauf war.«
»Das werde ich tun, falls etwas passiert. Und Ihre Frau?«
»Die, ach sorgen Sie nur dafür, dass sie keinen Idioten heiratet. Oder einen Journalisten. Diese Leute machen nur Ärger.«
Ich war mir nicht sicher, ob er das scherzhaft meinte.
Der Sammelband wurde am 9. August unter dem Titel Heisei Nihon Taboo Daizen 2008 (Tabu-Nachrichten in Japan 2008) veröffentlicht. Mein Mann in der Yakuza-Führung bekam eine Kopie des Kapitels, lange bevor das Buch im Handel erschien.
Ich hatte etwas eingefügt, was nie zuvor publiziert worden war: die Namen der anderen drei Yakuza, die sich einer Lebertransplantation unterzogen hatten. Nach Goto war es Yoshiro Ogino, ein Gangsterboss der Matsuba-kai, einer anderen Tokioter Yakuza-Gruppe.22 Er und Goto waren Blutsbrüder. Ogino soll der UCLA nach seiner Operation 100 000 Dollar gespendet haben. Ihm folgte wahrscheinlich Hisatoshi Mio, dessen Namen mir Shibata genannt hatte. Dann kam Saburo Takeshita. Er war das Finanzgenie der Goto-gumi. Takeshita leitete 20 Tarnfirmen und verwaltete einen Großteil der Goto-gumi-Gelder. 1992 verhaftete die Polizei von Shizuoka ihn und einen Komplizen wegen Bedrohung und Körperverletzung. Denn er hatte von einem Firmeninhaber Schutzgeld verlangt, und als der 51-jährige Mann nicht zahlen konnte, hatte ihm Takeshita befohlen, seine Tochter zu holen, »um ihr das Gesicht zu zerschneiden«. Als der Mann nicht gehorchte, traten Takeshita und sein Komplize ihn so hart in den Brustkorb und auf die Beine, dass er mehrere Wochen im Krankenhaus verbringen musste.
Ja, sie alle waren hart arbeitende japanische Männer, die es verdienten, vor irgendwelchen faulen, wertlosen Amerikanern eine Leber zu bekommen.
Allerdings – das sei zugunsten der UCLA erwähnt – wurde nie nachgewiesen, dass sie oder Dr. Busuttil zur Zeit der Operationen wussten, dass ihre Patienten zur japanischen Mafia gehörten. Beide erklärten, dass sie normalerweise kein moralisches Urteil über ihre Patienten fällen und ihren Entscheidungen nur medizinische Aspekte zugrunde legen. Sie bestritten jedoch nicht ausdrücklich, gewusst zu haben, dass einige dieser Patienten Verbindungen zur Yakuza hatten. Sie verweigerten einfach die Auskunft darüber, was genau sie über diese vier Männer wussten und wann sie es erfuhren. Außerdem möchte ich erwähnen, dass die amerikanischen Centers for Medicare and Medicaid Services zusammen mit der UCLA untersucht haben, ob das medizinische Zentrum der UCLA rechtswidrig gehandelt hatte, als es die vier japanischen Patienten mit einer neuen Leber versorgte. Der Los Angeles Times zufolge erbrachte die Untersuchung keine Hinweise auf unrechtmäßiges Verhalten. Wie dem auch sei, auf jeden Fall bezweifelten viele Leute, dass es moralisch korrekt sei, Ausländern mit kriminellem Hintergrund auf Kosten von Amerikanern Organe zu überlassen.
Was in der UCLA geschehen ist, könnte aber nicht nur moralisch verwerflich sein. Die Bundespolizei hat angedeutet, dass die UCLA möglicherweise unwissentlich an einer Geldwäsche beteiligt war. Mehrere Beamte erklärten mir, dass Geldwäsche auf internationaler Ebene nichts weiter bedeute als den Transfer schmutziger Gelder von Übersee in die USA, so wie im Fall des Kaisers der
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