Tokio Vice
gebührend ehren konnte.
In einem Gespräch mit Sekiguchi versprach Takada, Shima nicht zu töten. Aber wenn er ein wenig Zeit mit Shima allein verbringen könnte, würde er sicher in Erfahrung bringen, wo der Leichnam sich befand. Dummerweise bewachten Polizisten Shimas Haus – konnte Sekiguchi die nicht abziehen?
Das durfte Sekiguchi natürlich nicht tun. »Wir lassen sein Haus fast die ganze Zeit bewachen. Fast!«
Takada verstand den Hinweis, und als der Polizist seinen Posten verließ, tauchten er und ein paar Schläger vor dem Haus auf. Da Shima gerade aus dem Fenster sah, entdeckte er die ungebetenen Besucher, rannte zur Hintertür hinaus und floh ins nächste Polizeirevier. Weinend fiel er dort auf die Knie und flehte die Polizisten an: »Wenn Sie mein Haus schon bewachen, dann tun Sie es bitte 24 Stunden am Tag!«
Da die Polizei ihm das nicht versprechen konnte, machte sich
Shima aus dem Staub. Weder Takada noch Sekiguchi noch die
Polizei von Saitama wussten, wo er war. Nun hatte die Polizei zwar Arai in Gewahrsam, dennoch kam jetzt erneut alles zum Stillstand.
Doch wieder einmal zahlte sich Sekiguchis Yakuza-Netzwerk aus: Der Consigliere überreichte ihm mehrere Tonbänder. Die Tonqualität war schlecht, aber man konnte hören, dass Arai mit Sekine und Shima sprach. Sie redeten zwar in einer Art Code, dennoch war vieles einwandfrei zu verstehen.
Shima versicherte Arai, dass es keine Probleme gebe. Wahrscheinlich spielte er dabei auf Endos Verschwinden an. »Die Leiche ist nicht mehr zu sehen, sie ist in Gunma.« Dann erwähnte er noch andere Leichen und erzählte, dass er Kawasakis Auto zum Tokioter Bahnhof gefahren und dort auf dem Parklatz stehen gelassen habe. Außerdem deutete er an, dass er dabei geholfen habe, Kawasakis Leiche zu transportieren.
Damit konnte man ihm zwar noch nichts nachweisen, aber es war genug Material für eine Vernehmung. Shima war der Schlüssel des Ganzen, aber ohne Shima gab es kein Verhör und keinen Fall. Also hieß es erneut warten. Im November verließ Sekiguchi das Team und kehrte in die Abteilung für das organisierte Verbrechen zurück. Ich nahm daher an, Shima sei getötet worden und der Fall werde nie aufgeklärt.
Doch ich sollte mich irren.
Takada, der Yakuza-Chef, ließ nicht locker. Ende November gelang es ihm, Shima zu finden, der inzwischen seinen Namen geändert und geheiratet hatte. Er informierte Sekiguchi, der seinerseits die
Polizei von Saitama unterrichtete. Im Dezember wurde Shima dann festgenommen, und als er mit den Tonbändern konfrontiert wurde, packte er aus.
Infolge seiner Aussage durchsuchte die Polizei schließlich ein Grundstück und fand Kawasakis Zähne. Das war Beweis genug. Nur wenige Beamte waren vor Ort, und niemand sonst war informiert, auch nicht die Yomiuri .
Am 5. Januar, gleich nach dem Neujahrsfest, ließ die Polizei von Saitama Shima gegen Kaution frei und gab die Verhaftung von Gen Sekine und seiner Frau Hiroko wegen Mordes an Akio Kawasaki bekannt. Wenige Stunden später gestand Sekine alles. Nach qualvoll langen Ermittlungen war der Fall der verschwundenen Hundefreunde von Saitama endlich abgeschlossen.
Aber hatte ich einen Knüller? Oder die Yomiuri ?
Nein.
Ich fühlte mich verraten und besuchte wütend Sekiguchi.
»Jake, warum haben Sie nicht zurückgerufen?«
»Warum ich nicht zurückgerufen habe?«
»Sie haben mir ja nie Ihre Telefonnummer gegeben, deshalb habe ich seit Neujahr dreimal im Büro in Urawa angerufen, ohne Sie zu erreichen. Ich dachte schon, Sie seien in den USA.«
»Haben Sie denn keine Nachricht hinterlassen?«
»Doch, natürlich.«
Ich war schockiert.
Später fragte ich im Büro herum, ob jemand für mich angerufen habe.
»Ach ja, da waren ein paar Anrufe«, räumte einer der Neulinge ein. »Ich glaube, es war eine Versicherung oder etwas Ähnliches. Die
Telefonnummer muss hier irgendwo sein.« Er wühlte in einem Berg von Babyfotos, Sportberichten und Zeitungsausschnitten, bis er das entsprechende Stück Papier fand. Darauf stand Sekiguchis private Telefonnummer.
Am liebsten hätte ich den Burschen erwürgt und ihn angeschrien, dass er mir die Arbeit eines ganzen Jahres vermasselt hatte. Aber ich blieb stumm, denn schließlich hatte ich versagt. Hätte ich an Neujahr Sekiguchi besucht, wäre alles anders gekommen. Ich hatte genau den Fehler begangen, vor dem Sekiguchi mich gewarnt hatte, und hatte nicht vorbeigeschaut, als scheinbar nichts passierte. Ich hatte die laufenden Fälle nicht
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