Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
Vom Netzwerk:
Sonderkommission ärgerte sich sehr über diese Pressemitteilung und hätte Obaras Anwalt am liebsten erwürgt.
    »Ich habe diesen Anwalt 1000 Mal davor gewarnt, über die Opfer zu schreiben. Ich habe ihm gesagt, dass das Verleumdung ist. Aber er hat es trotzdem getan. Was zum Teufel bildet sich dieser Kerl ein? Wir werden nicht mitten in einer heiklen Befragung aufhören, damit er Zeit hat, seinen Mandanten wegen dieses Blödsinns zu treffen. Wenn das veröffentlicht wird und die Opfer Strafanzeige erstatten, dann freue ich mich schon darauf, diesen Anwalt als Mittäter einer Verleumdung festzunehmen. Und das werde ich tun. Mit diesem Brief und all dem Quatsch, der in den Zeitungen gestanden hat, ist es verdammt einfach, die Opfer aufzuspüren. Das ist etwas ganz anderes als das fehlerhafte, abwegige Zeug, das die Presse sonst schreibt. Es ist klare Verleumdung.
    Und was die riesige Durchsuchungsaktion betrifft, von der er schreibt – dummes Zeug.
    Hat er im Verhör den Begriff ›Unterwerfungsspiele‹ benutzt? Keine Ahnung.
    Es stimmt, dass einige Opfer Geld bekommen haben, aber das hat nichts mit dem Verbrechen zu tun. Sie haben ja nicht im Voraus zugestimmt. Als die Opfer aufgewacht sind, nachdem er mit ihnen fertig war, hat er ihnen Geld gegeben, damit sie den Mund halten. Die Opfer waren bewusstlos, also konnten sie sich an nichts erinnern.
    Sie sind aufgewacht und haben gespürt, dass etwas nicht stimmt, aber Obara hat seine übliche Leier heruntergespult: ›Dir ist schlecht geworden.‹ Dann hat er ihnen Geld fürs Taxi gegeben, damit sie nach Hause fahren konnten.
    Aber selbst wenn er ihnen Geld gegeben hat, ändert das nichts an den Fakten. Er hat diese Frauen arglistig getäuscht und ihnen Alkohol mit Drogen verabreicht. Das ist versuchter Mord. Ich will diesen Bastard wegen Mordversuchs vor Gericht sehen.
    Wenn Sie diesen Brief genau lesen, merken Sie, dass er nur das enthält, was Obara ins Konzept passt. Die Videos werden mit keinem Wort erwähnt.
    Und die Sache mit den Fliesen? Quatsch. Jeder weiß, dass man Fliesen nicht mit Zement befestigt. Jeder starke Leim reicht dafür.«
    Wenn Obara die Polizei ärgern wollte, dann war ihm das mit diesem Brief gründlicher gelungen, als er es sich vielleicht hatte vorstellen können. Er reizte die Kripobeamten und machte sich auch noch über die Opfer lustig – dieser Mann kannte wirklich keine Schuldgefühle.
    Am 9. Februar schickte die Tokioter Polizei nach einem neuen Hinweis fast 100 Beamte an den Strand von Miura, an dem sie vor fast vier Monaten schon einmal nach Lucies Leiche gesucht hatte. Angeblich hatten die Ermittler ein Auto untersucht, das Obara kurz nach Lucies Verschwinden gemietet hatte, die damit zurückgelegte Entfernung abgelesen und dann überlegt, wo er die Leiche hätte vergraben können. Ein erfahrener Polizeireporter der Mainichi vermutete, dass die Polizei Lucies Leiche schon beim ersten Mal gefunden, aber darauf gewartet hatte, dass Obara den Fund bestätigte, bevor sie ihn offiziell bekannt gab, um ganz sicherzugehen. Das konnte natürlich stimmen.
    An diesem Tag wurde ich um fünf Uhr morgens geweckt und in die Lokalredaktion bestellt. Dort sollte ich mich bereithalten, um mit betroffenen Ausländerinnen zu reden, sobald man die Leiche gefunden hatte.
    Ich hoffte, dass die Tokioter Polizei Tim bereits benachrichtigt hatte, ging aber davon aus, dass sie es nicht getan hatte. Denn die Beamten mochten ihn nicht, weil er ihre Methoden kritisierte hatte.
    Jeder Beamte im Dezernat war angespannt und müde, und der Vorwurf der Unfähigkeit – ob berechtigt oder nicht – verbesserte die Laune nicht gerade. Die beiden Seiten standen sich eher feindlich gegenüber, daher erhielt Tim auch kaum Informationen.
    Stattdessen hatte die Polizei eine Woche vor der Suchaktion Jane Blackman nach Japan geholt. Man hatte sie in einem Hotelzimmer vor der Presse versteckt und ihr sogar Besuche anderer Familienmitglieder verwehrt. Nur speziell geschulte Betreuerinnen von Scotland Yard waren bei ihr. Die japanische Polizei hatte sie ausführlich über Lucie befragt: Gab es auffällige körperliche Merkmale? Welche Krankheiten hatte sie gehabt? Was aß sie normalerweise, und welche Gewohnheiten hatte sie? Mrs. Blackman ahnte, dass dahinter etwas steckte, aber die Polizei verriet nichts. Tim tappte absolut im Dunkeln.
    Diesmal brauchte die Polizei nicht lange, um die Leiche zu finden. Sie war in einer behelfsmäßigen Mauer in einer Höhle an der Küste

Weitere Kostenlose Bücher