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Tokio

Tokio

Titel: Tokio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Sie hielt mir abermals die Schachtel hin. »Kein Problem. Du nehmen.«
    Ich nahm eine, und eine Weile rauchten wir und sahen einander an. Wenn ihr Haar nicht so verschieden ausgesehen hätte, wären Svetlana und Irina praktisch nicht zu unterscheiden gewesen: Sie hatten beide jenes selbstsichere Funkeln in den Augen, das ich von einigen der Mädchen an der Uni kannte. Ich muss auf sie einen sehr merkwürdigen Eindruck gemacht haben, während ich so ganz zerknautscht wie ein Bündel schmutziger Wäsche auf ihrem Hocker saß.
    »Du werden in Klub arbeiten?«
    »Nein«, sagte ich. »Die nehmen mich da bestimmt nicht.«
    Svetlana schnaubte verächtlich. »Sei nicht dumm. Es ist leicht, leicht, leicht. Wie Zuckerstangenschlecken.« »Gibt es Sex?«
    »Nein!« Sie lachten. »Kein Sex! Du machen Sex, du machen draußen. Mama nicht will wissen.« »Was macht ihr dann?«
    »Machen? Du machen nichts. Du reden mit Gast. Zünden
    seine Zigarette an. Sagen ihm, er ist toll. Tun Eis in seinen beschissenen Scheißdrink.«
    »Worüber redet ihr?«
    Sie sahen einander achselzuckend an. »Machen ihn nur froh, machen ihn dich mögen. Machen ihn lachen. Dich mögen alle Gäste, kein Problem, weil du Englischmädchen.«
    Ich schaute auf den dicken schwarzen Secondhandrock, den ich trug. Seine ursprüngliche Besitzerin dürfte sich mühelos an den Koreakrieg erinnern. Meine schwarze, geknöpfte Bluse hatte ich für fünfzig Penny in dem Oxfam-Wohlfahrtsladen in der Harrow Road erstanden, und meine Strumpfhose war blickdicht.
    »Hier.«
    Ich blickte auf. Svetlana hielt mir ein kleines goldenes Schminktäschchen hin. »Was?« »Mach Gesicht fertig. Wir gehen in zwanzig Minut.«
    Die Zwillinge beherrschten die Kunst, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Während sie einen Telefonhörer ans Ohr geklemmt und eine Zigarette im Mundwinkel hatten, redeten sie mit ihren Kunden - »Du heute Abend kommen, ja? Ich so sabishi ohne dich.« - und zogen ihre Augenbrauen nach, klebten sich falsche Wimpern an, zwängten sich in glänzende weiße Hosen und unmöglich hohe silberne Sandaletten. Ich schaute ihnen schweigend zu. Svetlana, die lange in ihrem BH
    vor dem Spiegel stand und ihre Achselhöhlen ausführlich nach Härchen absuchte, fand, dass ich etwas Goldenes tragen sollte, um ansprechender zu wirken.
    »Du müssen elegant aussehen. Du meinen Gürtel haben wollen, ja? Mein Gürtel gold. Schwarz und gold gut!«
    »Ich würde lächerlich aussehen.«
    »Dann silber«, meinte Irina. Ich gab mir alle Mühe, sie nicht anzustarren. Sie hatte inzwischen ihren BH ausgezogen, stand barbusig am Fenster und pulte mit ihren langen Nägeln an einer Rolle Tesafilm, von der sie dann Stücke mit ihren Zähnen abriss. »Du tragen Schwarz, du sehen aus wie Witwe.«
    »Ich trage immer Schwarz.«
    »Was? Du trauern um jemanden?«
    »Nein«, erwiderte ich mit fester Stimme. »Sei doch nicht albern. Um wen sollte ich denn trauern?«
    Sie musterte mich einen Moment lang eingehend. »Okay«,
    sagte sie. »Ganz, wie dir gefallen. Aber du gehen so in Klub, dann du machen die Männer weinen.« Sie steckte sich ein Ende des Klebestreifens in den Mund, quetschte ihre Brüste so fest sie konnte zusammen und zog dann den Klebefilm von ihrer linken Achselhöhle aus unter ihren Brüsten entlang zur rechten Achselhöhle und wieder zurück. Als sie ihre Brüste losließ, blieben sie hochgereckt, gehalten von einem schmalen Band aus Tesafilm. Sie zog eine schulterfreie Bluse an und stellte sich vor den Spiegel, um sie glatt zu streichen und zu überprüfen, ob sich der dünne Stoff auch an den richtigen Stellen über ihrer Figur spannte. Ich lutschte an meinen Fingern und wünschte, ich hätte den Mut, um eine weitere Zigarette zu bitten.
    Svetlana war mit dem Schminken fertig. Sie kniete sich hin, wühlte in einer der Schubladen und holte einen Hefter heraus.
    »Komm her«, sagte sie und winkte mich zurück. »Komm her.«
    »Nein.«
    »Ja. Komm her.« Sie kroch auf Knien zu mir, ergriff den
    Saum meines Rocks, schlug ihn nach innen um, ließ den Hefter zuschnappen und klammerte den Saum am Futter fest.
    »Lass das«, wehrte ich ab und versuchte, ihre Hand wegzustoßen. »Nein.«
    »Was soll das? Du sexy Beine, du müssen zeigen. Halt still.«
    »Bitte!«
    »Du nicht wollen Job, ja?«
    Ich vergrub mein Gesicht in den Händen, verdrehte die Augen und atmete tief durch, während Svetlana sich langsam um mich herumbewegte und meinen umgeschlagenen Rocksaum festklammerte. Ich konnte am

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