Tokio
um, schaute auf die gespenstischen Gestalten unter den Bäumen, und mir schnürte sich die Kehle zu. Man kann sich nie sicher sein, was in seinem Unterbewusstsein vor sich geht. Vielleicht hatte ich von Anfang an gewusst, was die Statuen darstellten. Vielleicht hatte ich deshalb diesen Park ausgewählt, um darin zu übernachten.
»Ja«, sagte ich mit trockenem Mund. »Ja, das tue ich. Ich verstehe es.«
Fuyuki wohnte in einem eleganten Apartmentgebäude hinter einem bewachten Tor und inmitten eines eingezäunten Gartens in der Nähe des Tokio Towers. Als der Lincoln Continental die Auffahrt entlangglitt, ließ der Wind von der Bucht die großen Palmen rascheln. Der Wachmann kam hinter seinem Empfangstresen hervor, schloss die Glastür auf und führte unsere Gruppe durch eine stille marmorne Eingangshalle zu einem privaten Lift, den er mit einem Schlüssel öffnete. Ich zwängte mich mit den kichernden und tuschelnden Japanerinnen hinein.
Als der Fahrstuhl im Penthouse hielt, erwartete uns bereits der Mann mit dem Pferdeschwanz. Er sagte nichts und sah auch niemanden an, als wir in die kleine Diele traten, sondern führte uns in einen langen Flur. Die Wohnung war im Karree angelegt. Ein schier endloser, mit Walnussholz verkleideter Korridor verband alle Zimmer; die indirekte Beleuchtung wies uns den Weg. Ich schaute mich aufmerksam um, während ich mich fragte, ob die Krankenschwester auch hier wohnte.
Wir kamen an einer zerrissenen, fleckigen japanischen Flagge in einem beleuchteten Schaukasten vorbei, dann an einer zeremoniellen Ascheschatulle, verziert mit geschnitzten Glyzinen, weiß lackiert und ausgestellt in einer Glasvitrine. Keine Schlösser, bemerkte ich. Ich ließ mich ans Ende der Gruppe zurückfallen. Wir gingen an einer Soldatenuniform vorüber, zerschlissen und ausgestopft, so als steckte ein Mensch darin. Ich bückte mich ein wenig, hielt meinen
Blick starr auf die Gruppe vor mir gerichtet und ließ meine Hand durch den offenen Boden der Vitrine hinaufwandern, bis meine Finger den Saum der Uniform streiften.
»Was hast du gemacht?«, fragte eine der Hostessen, als ich wieder zur Gruppe aufschloss.
»Nichts«, murmelte ich, doch mein Herz schlug schneller. Keine Alarmanlage. Ich hatte kaum zu hoffen gewagt, dass es keine Alarmanlage geben würde.
Wir passierten eine Treppe, die in die Dunkelheit hinabführte. Ich zögerte, widerstand jedoch dem Drang, aus der Gruppe auszuscheren und die Stufen hinunterzuschlei-chen. Das Apartment war über zwei Etagen angelegt. Was für Räume wohl dort unten liegen mochten?, fragte ich mich, als plötzlich und unerklärlicherweise Käfige vor meinem geistigen Auge auftauchten. Es ist keine Pflanze, nach der Sie suchen ... Genau in jenem Moment blieb die kleine Gruppe weiter vorn stehen, und alle legten ihre Handtaschen und Jacken in einem kleinen Garderobenraum ab. Ich musste mich von der Treppe losreißen, mich zu ihnen gesellen und ebenfalls meinen Mantel ausziehen. Gleich darauf hörten wir leise Musik, das gedämpfte Klirren von Eiswürfeln in Gläsern, und schließlich betraten wir ein verrauchtes Zimmer mit einer niedrigen Decke und einer Reihe sorgfältig beleuchteter Nischen und Vitrinen. Ich stand einen Moment reglos da, während sich meine Augen an das
Licht gewöhnten. Die Hostessen aus den ersten Wagen hatten es sich bereits auf großen burgunderfarbenen Sofas bequem gemacht, balancierten Gläser auf ihren Knien und unterhielten sich leise. Jason lümmelte in einem Sessel, ein nackter Fußknöchel ruhte übergeschlagen auf dem anderen Knie, und zwischen den Fingern hielt er eine Zigarette - ganz so, als würde er es sich nach einem harten Arbeitstag zu Hause gemütlich machen. Fuyuki saß in seinem Rollstuhl am hinteren Ende des Raums. Er trug einen weiten Yukata, aus dem seine nackten Beine ragten, manövrierte seinen Rollstuhl an den Zimmerwänden entlang und führte Bison umher. Sie schauten sich erotische Holzschnitte an, die an den Wänden hingen, feingliedrige Kurtisanen mit spindeldürren weißen Beinen, deren wallende, reich bestickte Kimonos übergroße Genitalien enthüllten.
Ich konnte nichts dagegen machen, fühlte mich augenblicklich wie hypnotisiert von diesen Drucken. Jason saß ein Stück entfernt, und ich spürte, wie er amüsiert meine Reaktion verfolgte. Doch ich war nicht im Stande, meinen Blick abzuwenden. Das Bild zeigte eine Frau, die so erregt war, dass etwas zwischen ihren Beinen hinabtröpfelte. Als es mir dann endlich
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