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Tokio

Tokio

Titel: Tokio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Hand, um mich zum Schweigen zu bringen, leerte ihr Glas, straffte die Schultern, tupfte sich den Mund ab, strich sich das Haar glatt, kurz gesagt, versuchte, Haltung anzunehmen. »Okay«, wiederholte sie. Dann beugte sie sich vor und richtete erneut ihre Zigarettenspitze auf mich. Manchmal, wenn sie zu viel getrunken hatte wie jetzt, sah man ihre Zähne und ihr Zahnfleisch. Das Komische war, dass sie bei all ihren Schönheitsoperationen niemals ihre Zähne hatte richten lassen - sie waren dunkel verfärbt, einer oder zwei sogar schwarz. »Du gehen zu Fuyuki, du bist vorsichtig. Okay?
    Wenn es ich wäre, dann ich würden in seinem Haus nichts
    davon essen.«
    »Nichts von was?«
    »Ich würden nichts essen von Fleisch.« Meine Nackenhaare sträubten sich. »Wie meinen Sie das?«, hauchte ich. »Zu viele Geschichten.« »Was für Geschichten?«
    Strawberry zuckte mit den Achseln und ließ ihren Blick durch den Klub schweifen. Fuyukis Limousinen warteten fünfzig Stockwerke unter uns, und die meisten der Hostessen befanden sich bereits in der Garderobe und holten ihre Handtaschen und Mäntel. Draußen pfiff inzwischen ein nasskalter Wind durch die Straßen, und vom Panoramafenster aus konnten wir sehen, dass er Stromleitungen gekappt hatte. Teile der Stadt lagen im Dunkeln.
    »Wie meinen Sie das?«, wiederholte ich. »Was für Geschichten? Was für Fleisch?«
    »Nichts!« Sie wedelte abfällig mit der Hand, vermied es aber, mich anzusehen. »Nur Witze.« Dann lachte sie, ein schrilles, gekünsteltes Lachen, und bemerkte, dass ihre Zigarette ausgegangen war. Sie steckte eine neue in die Spitze und deutete damit abermals auf mich. »Wir machen besser zu Ende. Diese Unterhaltung jetzt Schluss. Schluss.«
    Ich starrte sie an, und meine Gedanken begannen zu rotie ren. Iss nicht das Fleisch? Überzeugt, dass Mama Strawberry mir einen wichtigen Hinweis gegeben hatte, überlegte ich, wie ich mehr darüber in Erfahrung bringen könnte, als sich plötzlich Jason neben mich setzte.
    »Gehst du mit zu Fuyuki?«, flüsterte er.
    Er hatte schon den Kellnersmoking gegen ein graues T-Shirt mit einem ausgeblichenen Goa- Trance-Slogan ausgetauscht und sich seine Tasche umgehängt, bereit für den Nachhauseweg.
    »Die Zwillinge haben es mir erzählt«, sagte er. »Du gehst hin.«
    »Ja.«
    »Dann gehe ich auch hin.« »Was?«
    »Weil wir die Nacht zusammen verbringen. Du und ich. Das ist bereits beschlossene Sache.«
    Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ich brachte nichts heraus. Ich muss komisch ausgesehen haben, Augen weit aufgerissen, Kinnlade heruntergeklappt, Schweißperlen im Nacken.
    »Die Krankenschwester«, sagte Jason, als ob ich eine Frage gestellt hätte. »Ihretwegen bin ich auch willkommen.« Er leckte sich über die Lippen und warf einen Blick zu Strawberry, die eine weitere Zigarette rauchte und mit viel sagend hochgezogenen Augenbrauen der Unterhaltung lauschte. »Lass es mich mal so ausdrücken«, flüsterte er, »sie ist ziemlich scharf auf mich. Wenn du verstehst, was ich meine.«
    28
    Fuyuki und sein Gefolge waren vorausgefahren, aber es stand ein Konvoi schwarzer Autos mit dem schnörkeligen Schriftzug »Lincoln Continental« auf den Kofferraumdeckeln bereit, um die Gäste zur Party zu transportieren. Ich verließ den Klub als eine der Letzten, und als ich schließlich unten ankam, waren fast alle Hostessen und auch Jason abgefahren, und es stand nur noch ein Wagen zur Verfügung. Ich machte es mir mit drei japanischen Hostessen, deren Namen ich nicht kannte, auf dem Rücksitz bequem. Während der Fahrt plauderten sie über ihre Kunden, doch ich beteiligte mich nicht an dem Gespräch, rauchte eine Zigarette und starrte aus dem Fenster. Als wir durch Nishi Shinbashi fuhren, kamen wir an dem Garten vorbei, in dem ich Jason zum ersten Mal begegnet war. Zuerst erkannte ich ihn nicht, und wir waren schon fast daran vorbei, als ich begriff, dass die seltsamen, im Mondschein schimmernden Umrisse die unter den Bäumen aufgereihten Steinkinder waren. Ich drehte mich um und betrachtete sie durch die Heckscheibe.
    »Was ist das für ein Gebäude?«, fragte ich den Fahrer auf Japanisch. »Der Tempel?«
    »Das ist der Zojoji-Tempel.«
    »Zojoji? Weshalb sind da all diese Kinder?«
    Der Fahrer musterte mich verblüfft im Rückspiegel. »Das sind die Jizo, die Engel für die toten Kinder. Die Kinder, die tot geboren wurden.« Als ich nicht antwortete, fragte er:
    »Verstehen Sie mein Japanisch?«
    Ich drehte mich erneut

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