Tolle Maenner
Wand und verschränkte die Arme auf jene selbstgerechte Weise, die sie gründlich zu hassen gelernt hatte.
»Hat der Typ Ihnen eigentlich erlaubt, den Artikel zu veröffentlichen?«, fragte Marcus.
»Äh. Sozusagen.«
»Und was heißt das?«
»Das heißt, noch nicht, aber ich kriege seine Erlaubnis schon. Er ist schließlich ein Freund von mir.«
»Nicht mehr, nachdem das veröffentlicht ist.« Er lachte und schaute sich um. Unwillkürlich drehte auch Tracie den Kopf, als befürchtete sie, dass der Feind mithörte. Als sie sich wieder umwandte, stellte sie überrascht fest, dass er sich bis auf wenige Zentimeter an sie herangemacht hatte. Er drückte Tracie an die
Wand und streckte die Arme nach beiden Seiten aus, sodass sie zwischen seinen Armen und seinem grinsenden Gesicht eingepfercht war und seinen Atem auf der Stirn spürte. »Wie wär’s, sollen wir den Artikel nicht heute Nacht zusammen redigieren?«
Sie konnte es einfach nicht glauben. Er besaß doch tatsächlich die Frechheit, sie aufs Kreuz legen zu wollen. Sie hätte ihm am liebsten mit dem Knie zwischen die Beine getreten, aber sie war auf ihren Job angewiesen. »Marcus...«, begann sie. Er beugte sich weiter vor, bis sein Mund fast auf ihrem war. Sie ließ sich allmählich an der Wand nach unten gleiten. »Lieber nicht.«
»Ach komm, spiel hier nicht die Schüchterne. Ich hab doch gemerkt, wie du mich bei den Redaktionskonferenzen anschaust.« Er versuchte sie zu küssen, doch Tracie versetzte ihm einen kräftigen Stoß, der ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Er kam ins Straucheln, und sie konnte sich nicht beherrschen und schubste ihn ein weiteres Mal. Dann sah sie Tim und Beth hinter ihm stehen. Wie viel hatten sie wohl mitbekommen? Marcus ging zu Boden. Beth blieb stehen und starrte ihn an. Tim beugte sich – widerwillig, wie es schien – zu ihm hinunter und reichte ihm die Hand, um ihm auf die Beine zu helfen. Marcus schlug seine Hand weg und stand aus eigener Kraft auf.
»Ach ja, den Vatertagsartikel brauche ich übrigens bis heute Abend.«
»Aber Sie sagten doch -«
»Ihr Fehler«, erklärte Marcus, drehte sich um und ließ sie im Flur stehen.
Am Nachmittag, als Tracie gerade ihren Vatertagsartikel beendete, kamen die Tickets für Radiohead an. Wow! Molly hatte es tatsächlich geschafft. Sie würde ihr jetzt wohl größere Trinkgelder geben müssen. Und sie musste diesen Artikel fertig stellen. Sie hatte Jon immer wieder angerufen; wenn sie ihn nicht bald erreichte, musste sie Allison die Tickets ohne Gegenleistung geben. In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Sie ließ es zweimal
läuten, aber dann nahm sie das Gespräch an. Sie brauchte eine Ablenkung. »Hallo, hier Tracie Higgins«, flüsterte sie in den Hörer.
»Hallo, meine Alchimistin. Um was geht’s denn?«, fragte Jon.
»Hey, bin ich froh, dass du anrufst. Mensch, ich hab für dich heute Abend eine Wahnsinnsfrau aufgetrieben!«
»Heute geht’s nicht. Ich geh heute mit Ruth aus.«
»Dann musst du Ruth eben absagen, denn die Frau ist wirklich der absolute Hammer.«
»Na schön, es wird Ruth bestimmt nicht viel ausmachen, wenn sie noch ein wenig warten muss«, meinte Jon. »Sie klettert schließlich, da ist es für sie nichts Neues, ein bisschen durchzuhängen«, fügte er lachend hinzu.
»Genau.« Trotz seines lahmen Witzes musste sie fast lachen, denn heute Nacht würde er für alles büßen müssen. »Komm um halb sieben hierher, ich habe Karten für das Radiohead-Konzert. Komm in mein Büro, dann erklär ich dir alles.«
»Gut. Also bis später.«
31. Kapitel
Nachdem Tracie ihn im Java, The Hut hatte stehen lassen, hatte Jon sich so schlecht gefühlt, dass er sich auf nichts mehr konzentrieren konnte, und so hatte er einen Besuch bei seiner Mutter gemacht. Er sagte sich, dass das schon längst einmal wieder fällig gewesen war, aber er war seinetwegen hingegangen, nicht ihretwegen. Sie hatte ihm Nudelsuppe gekocht, eines seiner liebsten Trostgerichte, ohne dass er sie darum hätte bitten müssen. »Du siehst müde aus, mein Lieber«, hatte sie gesagt, während sie mit den Händen durch seine neue Frisur fuhr. »Du arbeitest wohl wieder sehr viel, was?« Statt ihr zu gestehen, dass es weniger an der Arbeit lag, hatte er nur genickt. »Mein lieber Jonathan, warum schaffst du dir eigentlich keinen Hund an?«, hatte sie gefragt. Nur eine Mutter konnte eine derart verrückte Frage stellen, und doch war die Frage lieb und irgendwie sogar richtig. Auf
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