Tolle Maenner
einmal sehnte Jon sich nach Wärme und Treue. Fast hätte er seiner Mutter von seinem Streit mit Tracie erzählt, hätte er sich für sein übriges Verhalten nicht so geschämt.
Da er nicht annahm, dass Tracie sich so bald wieder bei ihm meldete, hatte er sie angerufen, um sich bei ihr zu entschuldigen. Er war richtig glücklich gewesen, als sie sich über seinen Anruf allem Anschein nach freute. Sogar ein neues Date hatte sie für ihn arrangiert. Er war davon ausgegangen, dass Tracie furchtbar sauer auf ihn war, und war deshalb zu allem bereit, um mit ihr Frieden zu schließen. Auch wenn er diesen Strudel sexueller Aktivitäten sehr genoss und nicht die Absicht hatte, das alles aufzugeben, wollte er Tracie als Freundin nicht verlieren. Sie war schließlich seine beste Freundin – und sein bester Freund. Außerdem war sie die Einzige, die wusste, wer er in diesem Stadium eigentlich
war. Und diese Miss Universum klang viel zu gut, um wahr zu sein, und Jon war nicht einmal mehr nervös. Er hatte die Konzertkarten in der Tasche und trug über einem seiner neuen Armani-Hemden auch seine Zauberjacke, die anscheinend immer den Ausschlag gab. Er hatte sich seit Montag nicht mehr rasiert und wusste, dass er gut aussah: Obwohl er noch immer nicht genügend Selbstsicherheit hatte, um sich an die Bar zu setzen, hatte er die Blicke mehrerer Frauen auf sich gezogen, als er dort vorbeigegangen war.
Nachdem Tracie wieder an Bord war, kehrte auch sein Selbstvertrauen zurück. Sie hatte im Java, The Hut schrecklich wütend gewirkt, doch die Begegnung in ihrem Büro hatte ihn beruhigt, obwohl er selbst nicht recht wusste, warum. Sie hatte sich zwar nicht bei ihm entschuldigt, aber vielleicht war ja das Date, das sie für ihn arrangiert hatte, ihre Art, mit ihm Frieden zu schließen. Tracie konnte es nur schwer ertragen, im Unrecht zu sein. Es war nicht nötig, dass sie sagte: »Tut mir Leid, es war kurz vor meiner Regel« oder »Ich hätte meine Wut auf Marcus nicht an dir auslassen dürfen«, um wieder mit ihr klarzukommen. Sie hatte ganz normal – nein, sogar netter als sonst – gewirkt, als er die Karten abholte. Sie hatte sogar sein Outfit gelobt und ihm den Kragen gerichtet, bevor sie ihn wieder losschickte. Das war also geklärt.
Er interessierte sich nicht besonders für Radiohead und konnte sich nicht erinnern, außer »Karma Police« je einen ihrer Songs gehört zu haben. Tracie aber hatte ihn darüber informiert, dass seine Miss Universum eine Schwäche für Thom Yorke hatte, und Jon bedauerte lediglich, dass er nicht mehr dazu gekommen war, MTV zu schauen, um ein paar von Yorkes Bewegungen einzustudieren. Wenn er James Dean kopieren konnte, dann ganz bestimmt auch Thom Yorke. Dieses Mädchen – einen schrecklichen Moment lang wusste er nicht mehr, ob sie nun Alexandra oder Allison hieß, bis er sich entschied, sie sicherheitshalber einfach Ali zu nennen – dieses Mädchen würde sich eben mit James Dean zufrieden geben müssen, genau wie die anderen auch. Er
lächelte verschmitzt und schüttelte den Kopf. In gewisser Weise war es gut, dass er nicht schon vorher gewusst hatte, wie leicht das alles war; hätte er es gewusst, wäre er vermutlich von der High School geflogen.
Er saß an seinem Bistrotisch, bestellte ein Bier und wartete. Er hatte keine Uhr dabei, wusste aber, dass er zu spät dran war. Um wie viel sie wohl zu spät käme? Einen Augenblick lang fragte er sich schon, ob er wohl im falschen Restaurant war oder von Tracie falsche Informationen erhalten hatte. Aber nein, das Restaurant war das richtige, und wenn Ali nicht auftauchte, konnte er ja immer noch Ruth anrufen oder auch Beth und sagen, er hätte ein paar tolle Tickets ergattert und ob sie nicht mitwolle. Und falls er keine von beiden erreichte, war da ja immer noch die Bar. Vielleicht gab es ja auch noch andere Mädels, die in Thom Yorke verliebt waren.
Gelangweilt nahm er die Speisekarte in die Hand. Es war das übliche Bistro-Essen: alle möglichen Burger, Pommes frites und Brathähnchen. Gerade, als er die Karte beiseite legte, sah er sie. Sie stand am anderen Ende des Raums und schaute sich um. Sie war nicht einfach nur Miss Universum, sondern weit mehr: Sie war ein Engel. Jon wusste sofort, dass das die Frau war, die Tracie für ihn ausgesucht hatte, und segnete sie dafür von ganzem Herzen. Jeder Mann und jede Frau im Restaurant drehten sich nach ihr um. Und dann, wie in einem Traum, aber auch so unausweichlich wie sein eigener Tod, bewegte
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