Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tolle Maenner

Tolle Maenner

Titel: Tolle Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivia Goldsmith
Vom Netzwerk:
»Na los«, sagte sie. »Probier die Sachen an.« Reglos stand er da.
    »Stammen die vielleicht von Toten?«, fragte er.
    »Wer weiß? Probier sie einfach an. Erst die Hose und die langen Jacketts.«
    »Hast du gewusst, dass die Beulenpest von Kleiderflöhen übertragen wurde?«, fragte Jon sie.

    Sie ignorierte ihn und schob ihn in eine Kabine. »Na los, zieh das an«, drängte sie. Dann wartete sie. Und wartete. »Wieso dauert das denn so lang?«, rief Tracie hinein.
    Sehr langsam öffnete sich die Tür der Unkleidekabine. Heraus trat Jon in einem Outfit, das stark an die Sachen erinnerte, die Lincoln trug, als er erschossen wurde. Der schwarze Gehrock reichte ihm bis zu den Knien, und die lange gestreifte Hose – nun ja, in die Gothic-Szene würde er wohl nie passen. Tracie schoss ein Foto, bevor sie den Daumen nach unten hielt. »Gott sei Dank«, murmelte Jon offensichtlich erleichtert und verschwand wieder in der Kabine.
    Wenige Minuten später ging die Tür erneut auf. Diesmal hatte Jon einen Austin-Powers-Jumpsuit und ein Hemd mit Puffärmeln an. Hatte sie das ausgesucht? Tracie war entsetzt. Er sah aus wie ein schwuler Clown aus dem Weltraum.
    »Das war nicht für dich gedacht«, sagte sie. »Wo hast du das denn gefunden?«
    »Hier auf der Stange«, sagte Jon achselzuckend.
    Sie riskierte einen Blick in die Umkleidekabine. Da hingen auch noch ein orangefarbener Overall und ein aquafarbener wadenlanger Rock. »Wolltest du das etwa auch anprobieren?«, fragte Tracie und erkannte im selben Augenblick den Tonfall wieder, in dem ihre Stiefmutter sie gefragt hatte, ob sie auch vom Dach springen würde, wenn ihre Freunde aus Encino es ihr vormachten. Mitunter weckte das Einkaufen die Tyrannin in ihr.
    Sie schnappte sich die falschen Sachen aus der Kabine und deutete auf die von ihr ausgewählten Kleidungsstücke. »Nur die da«, sagte sie. »Das übrige Zeugs müssen irgendwelche Clowns in der Kabine gelassen haben.« Sah er denn nicht den Unterschied? Wenn nicht, war er wirklich ein hoffnungsloser Fall.
    Er probierte zwei weitere Stücke an, und sie entschied sich jeweils dagegen. Jon zuckte jedes Mal mit den Achseln und warf Tracie einen dankbaren Blick zu. Dann verschwand er wieder in der Umkleidekabine. Tracie dachte schon, sie verschwendeten ihre Zeit, bis die Tür aufging und Jon in einer zerrissenen Blue
Jeans und dem geschmeidigen schwarzen Lederhemd heraustrat. Jetzt merkte Tracie auf.
    Perfekt war es nicht, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Taxierend betrachtete sie Jon von allen Seiten. Dann gab sie ihm auch noch den Lodenmantel zum Anziehen. Ja! Jetzt sah er wirklich interessant aus. Vielleicht sogar gut. Sie stieß einen schrillen Freudenschrei aus, doch dann kam ihr ein Gedanke. Jetzt noch eins von diesen Sportsakkos, und zwar vom Ende der Stange. Sie rannte los und kam mit einem ausgebeulten, aber eleganten Tweedsakko zurück, das sie ihm an Stelle des Lodenmantels in die Hand drückte. Dann begutachtete sie ihr lebendes wissenschaftliches Projekt. Unglaublich. Jetzt sah er richtig scharf aus.
     
    Im Schuhgeschäft konnte Jon sich endlich setzen. Er fiel in den Stuhl, als hätte ihm jemand einen Stoß gegeben. Noch nie im Leben war er so müde gewesen. Wer hätte auch gedacht, dass Einkaufen so anstrengend sein konnte wie ein olympischer Zehnkampf? Kein Wunder, dass junge Frauen so zäh waren. Selbst Tracie, die einstige Miss-Super-Shopping von Encino, war nach der Tour wie gerädert. Der nicht annähernd so kampferprobte Jon musste, so befürchtete sie, völlig hinüber sein. Doch ein Artikel auf ihrer Liste war noch immer nicht durchgestrichen, und wenn Tracie etwas für sich beanspruchen konnte, dann Gründlichkeit.
    Wer hätte gedacht, dass Tracie beim Einkaufen einen solchen Fanatismus entwickeln könnte? Sie war gnadenlos. In ihren Augen leuchtete ein Urtrieb auf, wenn sie sich auf Textilien stürzte, die Jon eher überflüssig und langweilig fand. Stundenlang waren sie nun schon unterwegs, zumindest kam es ihm so vor, und er hatte heute mehr für Kleidung ausgegeben als in den letzten zwanzig Jahren.
    Jetzt hielt Tracie ihm ein Paar Schuhe vor die Nase. Sie waren aus Wildleder und einfach schrecklich. Angewidert verzog er das Gesicht. Tracie zeigte auf ein anderes Paar. Die waren zumindest
nicht schlecht, sofern einem Zuhälterschuhe gefielen. Jon setzte sich auf und versuchte ein gewisses Interesse an den Tag zu legen. Tracie reichte ihm den linken Schuh, den er behutsam in

Weitere Kostenlose Bücher