Tolle Maenner
auftauchen.
Jetzt polterten Taschen und Koffer aller Art auf das Band. Erst in diesem Augenblick dämmerte Jon, welche Folgen der Umstand nach sich zog, dass sein Gepäck auf dem falschen Förderband lag. Nun, dann würde er eben einfach so tun, als ob es verschwunden wäre. Das passierte schließlich alle Tage. Vielleicht hatte die Schöne dann Mitleid mit ihm – oder er stand da wie ein Volltrottel.
Hektisch überlegte er, was wohl ein James Dean beim Verlust seines Gepäcks tun würde, aber keiner seiner Filme lieferte auch nur den geringsten Hinweis darauf, ob ihm das je passieren könnte oder was James in so einem Fall tun würde. Einen kurzen Moment spürte Jon einen Anflug von Verbitterung. Was nützte einem der Unterricht, wenn man hinterher zwar wusste, wie man zu reagieren hatte, wenn der Salat verfault war, nicht aber, wenn einem das Fluggepäck abhanden kam?
Verzweifelt überlegte er, was er der Schönen noch alles sagen konnte. Sie nach ihrem Namen zu fragen war sicherlich verfrüht. Im Augenblick schien sich ohnehin jeder nur für sein Gepäck zu interessieren. Die Gepäckstücke ließen sich in zwei Kategorien einteilen – schwarz und von anderen schwarzen Stücken nicht zu unterscheiden oder Teil einer kunterbunten Kollektion aller erdenklichen Taschen in schrillen Farben, mit Aufklebern, die im Dunklen leuchteten, oder mit Klebeband gekennzeichnet, damit ihre Besitzer sie auf den ersten Blick von den unzähligen anderen unterscheiden konnte. Als ob das nötig gewesen wäre.
Was sollte er tun? Ihr beim Tragen helfen! Er schaute die Schöne aus den Augenwinkeln heraus an und versuchte, sich ihr Gepäck vorzustellen. Sie würde ganz bestimmt keine schäbigen avocadogrünen Hartschalenkoffer mit Kreuzchen aus pinkfarbenem Perlmutt-Nagellack an der Seite haben. Er schüttelte den Kopf, als dieser Koffer an ihm vorbeirollte, und dann geschah ein Wunder: Sie sprach. »Ist das nicht grauenhaft?«, fragte sie. »Ich meine, was manche Leute so als Gepäck benutzen.«
Vor Verwunderung vergaß er ganz, ihr zu antworten. Er war viel zu beschäftigt mit der Vorstellung, dass sie ihn tatsächlich sympathisch finden könnte. Sie hatte etwas zu ihm gesagt. Und sie hatte auch noch einen Gedanken ausgesprochen, den er Sekundenbruchteile zuvor selbst gehabt hatte. Vielleicht lag hier eine echte Möglichkeit. Nun ja, es wäre sinnlos, die Hochzeitseinladungen zu verschicken, ehe ihm darauf eine Antwort einfiel.
»Ihre Taschen sind so hässlich wie die Sächelchen, die sie anhaben«, sagte er.
Du lieber Himmel. Sächelchen? Wer um alles in der Welt nahm ein Wort wie Sächelchen in den Mund? Doch höchstens Männer im Smoking, Typen, die Ascotkrawatten trugen und »alter Knabe« zueinander sagten. Das musste er ihr jetzt erklären...
»Ja, das stimmt. Meine Mutter sagt immer, dass das Fliegen früher bedeutend mehr Stil hatte. Damals zogen die Leute dazu ihre besten Sachen an, können Sie sich das vorstellen? Haben Sie gesehen, in welcher Aufmachung diese Mutter rumlief, deren Kind schlecht geworden ist?«, fragte sie, bevor sie innehielt. »Ach nein, sicher nicht. Sie waren bestimmt in der ersten Klasse, nicht wahr?«
Das war ja unglaublich! Da gab sie ihm doch tatsächlich zu verstehen, dass er gut aussah, und sie quatschte ihn an. Wie war das nur möglich? War es immer schon so einfach gewesen, und er hatte es nur nicht gewusst und auch nicht die richtige Ausrüstung gehabt? Machten eine Lederjacke und Blasen an den Fersen tatsächlich den Unterschied aus? Wenn ja, war das ein paar Blasen wert.
Mit gestärktem Selbstvertrauen nahm Jon eine, wie er meinte, coolere Haltung ein. »Gesehen habe ich es nicht, aber ich habe etwas Säuerliches gerochen«, erklärte er.
Er griff in die Tasche und holte Tick, Trick und Track heraus. »Wie wär’s mit einem Pez?«, fragte er.
Sie lachte, schüttelte aber den Kopf. »Sie sind mir ja lustig. Leben Sie hier, oder sind Sie nur geschäftlich in der Stadt?«
Sein Traum war wahr geworden, doch wie sollte er die Frage
beantworten? Zwar hatte er die Frage erwartet, aber sollte er nun lügen und ihr erklären, dass er nur auf Durchreise sei? Oder ihr die Wahrheit sagen und sich als Einheimischer zu erkennen geben? Und was sollte er mit seiner Tasche auf dem anderen Band machen? »Ich bin hier auf Talentsuche«, sagte er und schämte sich im selben Augenblick für die wenig überzeugende Lüge.
Sie aber schien das weder merkwürdig zu finden, noch für eine Lüge zu
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