Tolle Maenner
ohne das Ding verreist.« Er versuchte zu lachen. »Meine Tasche ist garantiert schreibmaschinenfrei. Sie ist so leicht, dass man glatt meinen könnte, sie wäre mit Papier ausgestopft.«
O nein. Es wurde immer schlimmer. Jon hätte am liebsten losgeheult, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. Aus den Augenwinkeln sah er erneut seine Tasche, die schwarz und ominös, einsam und allein auf dem benachbarten Gepäckband rotierte. Er spürte, wie ihm unter den Achseln und auf der Oberlippe der Schweiß ausbrach. Na wunderbar. Jetzt sah er wahrscheinlich aus wie Albert Brooks in Nachrichtenfieber . Angstschweiß. Alle Versager haben Angst.
Jon schaute wieder zu der Schönen hinüber, deren Gesicht sich irgendwie zusammengezogen hatte, als wollten Augenbrauen, Nase, Augen und Mund sich in der Mitte des Gesichts in Sicherheit bringen. »Nicht dass meine Tasche mit Zeitungspapier ausgestopft wäre«, versicherte ihr Jon. »Sie hat ein ganz normales Gewicht. Genau genommen ist sie sogar schwerer als normal. Und außerdem könnte ich gar nicht der Unabomber sein. Ich meine, sie haben ihn ja erwischt. Meine Tasche ist nicht so schwer, weil ich keine Waffen oder Ähnliches drin habe.« Er lachte wieder, um seine abgrundtiefe Verlegenheit zu überspielen. Vielleicht konnte ihn ja ein Scherz retten. »Bei dieser Reise
habe ich nämlich beschlossen, meine Waffen ausnahmsweise mal zu Hause zu lassen.«
Die Schöne wandte den Blick zum Gepäckband. Sie ließ Jon stehen, und er wusste, dass er zu weit gegangen war. Dann aber sah er, wie sie nach ihrer zweiten Tasche griff, und – o Wunder! – mit ihr zu ihm zurückkam. Seine Erleichterung war grenzenlos.
Doch das Gesicht der Schönen hatte sich erneut verändert. Jetzt wirkte es verschlossen und distanziert, und es war wieder das Gesicht einer Fremden. Ihre Augen wanderten unruhig hin und her; es waren die Augen einer nervösen Fremden. Ja. Er hatte alles kaputt gemacht.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte sie unterkühlt. »Ich ruf Sie dann an. Und ich hoffe, Sie finden Ihr Gepäck noch.«
17. Kapitel
Tränen rollten über Tracies Gesicht, aber sie wischte sie nicht weg. Sie kniff nur die Augen zusammen, um sie herauszuquetschen, und spürte, wie eine in die Falte neben ihrer Nase rollte und sie kitzelte. Sie streckte die Zunge heraus und leckte sich die Träne von der Oberlippe. Sie schmeckte nur ein klein wenig salzig.
»Wie viel Salz?«, rief sie Laura zu, von der nur der Hintern zu sehen war, weil ihr Kopf gerade tief in einem Unterschrank verschwunden war, in dem sie nach etwas suchte. »Soll ich Salz reintun?«
Laura brummte und zog den Kopf aus dem Schrank. »Nö. In den Tomaten ist so schon genügend Natrium. Ich finde, die anderen Gewürze und der natürliche Salzgeschmack der Tomate machen zusätzliches Salzen überflüssig.«
Tracie nickte, wobei ihr eine Träne vom Kinn tropfte. Sie fiel auf das Schneidebrett und benetzte eine Zwiebelscheibe. Sie hätte die Zwiebeln schon früher in den Topf werfen können, um ihren Tränenstrom endlich zum Versiegen zu bringen, da sie sie schon so fein gehackt hatte, wie sie konnte, aber sie wollte erst Lauras Zustimmung einholen.
»Übrigens«, erklärte Laura, als sie sich aufrichtete, »wenn du die Zwiebel vor dem Hacken ein paar Minuten ins Gefrierfach legst, musst du nicht heulen.«
»Wenn ich Zeit hätte und mir solche Sachen merken könnte, würde ich wohl auch zu den Frauen gehören, die sogar ihre Strumpfhose ins Gefrierfach legen, damit sie keine Laufmaschen kriegt.«
»Funktioniert das?«, fragte Laura.
Tracie zuckte mit den Achseln. »Wie soll ich das wissen? Ich gehöre nicht zu diesen Frauen.«
»Gott sei Dank!«, rief Phil vom Sofa herüber. »Strumpfhosen turnen schon genug ab. Eisgekühlte wären mehr, als ich ertragen könnte.«
Tracie nahm das Hackbrett und hielt es über die Pfanne, in der bereits die Butter am Schmelzen war. »Einfach reinwerfen?«, fragte sie. Dann sah sie einen roten Fleck auf dem Schneidebrett und merkte, dass sie nicht nur die Zwiebel geschnitten hatte, sondern auch sich selbst, und zwar tief in den Daumen. »Ogottogott!«, sagte sie.
Laura war augenblicklich bei ihr. Tracie hielt den Daumen hoch, von dem das Blut nun die ganze Hand herunterlief.
Eine Zeile aus einem der Gedichte von Sylvia Plath fiel ihr ein, die Laura und sie so schätzten.
»›Trepanierter Veteran‹«, sagte sie laut.
»He, hör auf, Sylvia zu zitieren, während du in den Bohneneintopf
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