Tolle Maenner
Tracie hielt es nicht aus. Jetzt war sie gezwungen, etwas Gutes über Mollys Hackbraten zu sagen. Sie wünschte, sie könnte ihren Teller einfach abräumen lassen, denn sie bekam keinen Bissen mehr hinunter. Nicht, dass er nicht gut gewesen wäre; sie hatte Hackbraten ganz einfach bis obenhin satt.
»Ich genieße ihn bis zum letzten Bissen«, erklärte sie der scheinheiligen Londoner Kellnerin. Kaum war Miss Scheinheilig mit dem schmutzigen Teller abgezogen, nahm Tracie ihre Belehrungen wieder auf. »Jon, lass dir einfach irgendwas einfallen. Sag ihnen meinetwegen, dass du mit ansehen musstest, wie dein Vater deine Mutter erschossen hat. Oder deine Mutter deinen Vater. Oder dass sie sich gegenseitig erschossen haben und du die Millionen geerbt hast, du das blutbesudelte Geld aber nie anrühren würdest.«
»Und das würde den Frauen gefallen?«, fragte er.
»Nur wenn sie es dir abnehmen. Und wenn du ihnen sagst, du hättest noch nie jemandem genug vertraut, um dieses schreckliche Geheimnis zu enthüllen. Dann haben sie genug Vertrauen zu dir, um mit dir zu schlafen.«
Jon schüttelte den Kopf.
»Jetzt hör zu«, fuhr Tracie fort. » Wenn du dann soweit bist, dass du mit einer schläfst, ist es ganz wichtig, dass du nicht über Nacht bleibst. Ganz egal, wie müde du bist oder wie spät es ist – raus aus dem Bett und ab nach Hause. Das ist die Regel Nummer fünf und die wichtigste von allen: Bleib nie über Nacht.«
»Nie? Aber Phil tut das doch ständig!«, wandte er ein.
»Aber am Anfang hat er es nicht getan«, vertraute Tracie ihm an. »Es geht darum, dass sie sich dann nach mehr sehnt. Am allerbesten ist es natürlich, wenn du dich heimlich aus dem Staub machen kannst, während sie schläft.«
»Ganz ohne mich zu verabschieden?«
»Du kannst ihr ja eine rätselhafte Nachricht hinterlassen.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel... ›Ich gehe wegen dir.‹ Und schreib bloß nicht
›in Liebe‹ darunter. Und gib ihnen auf gar keinen Fall deine Telefonnummer.« Ungläubig sperrte Jon den Mund auf.
»Ich komme doch aber wegen ihnen, und dann soll ich schreiben, dass ich wegen ihnen gehe? Also wirklich! Soll ich etwa bloß Masochistinnen verführen?«
»Hör mal, im Moment geht’s nur darum, sie an die Angel zu kriegen. Wenn ihr erst mal zusammen seid, kannst du machen, was du willst. Aber am Anfang müssen die Frauen das Gefühl haben, dass du was Besonderes bist, dass sie selber was Besonderes sind und dass sie sogar etwas ganz Besonderes sein müssen, um dich zu kriegen. Und aus diesem Grund darfst du sie auch auf gar keinen Fall zurückrufen.«
Jon fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Nachdem ich endlich eine gefunden habe, mit der ich schlafen kann? Wovon redest du eigentlich? Wenn ich sie nicht zurückrufe, wie soll ich dann wieder mit ihr schlafen?«
»Du brauchst nicht wieder mit ihr zu schlafen. Schlaf einfach mit einer anderen. Im Augenblick geht es für dich darum, möglichst viele Erfahrungen zu sammeln.«
»Ich soll mich also wie ein richtiger Kotzbrocken verhalten?«, fragte er. »Ist es das, was die Frauen wollen? Einen Kotzbrocken, der in den richtigen Hosen steckt?«
»Nein. Glaubst du vielleicht, wir sind blöde? Wir sind kompliziert. Wir wollen jemanden, der sich wie ein Dreckskerl benimmt, den wir aber zähmen können oder zumindest glauben, zähmen zu können. Wir wollen einen knallharten Typen, der aber ein butterweiches Herz hat, das wir erobern können. Einen Panther, der auf unser Kommando hört. Das ist gewissermaßen das weibliche Gegenstück zu dieser Männergeschichte von früher.«
»Welche Männergeschichte? Geistesschwäche?«
»Nein. Ich meine, dass die Männer keine Frauen haben wollten, die leicht zu kriegen waren. Denn die konnte ja jeder haben.« Sie überlegte. »Ich mochte mal einen Jungen namens Earl -«
»Du möchtest Earl-Grey-Tee?«, fragte Molly freundlich hinter Tracie. »Ich brüh dir gleich einen auf.« Was war bloß los mit dieser Frau? Frech und vorlaut war sie Tracie bedeutend lieber.
»Nein, danke, ich will keinen Tee«, erwiderte Tracie und hielt sich an der Tischkante fest, um Molly keine zu scheuern. »Ich sag dir schon Bescheid, wenn ich was möchte.« Molly nickte und ließ sie wieder allein. Tracie warf Jon einen wütenden Blick zu.
»Lass sie doch«, meinte er. »Sie möchte doch nur, dass du positiv über den Laden schreibst. Aber wer war Earl? An den kann ich mich gar nicht erinnern.«
»Weil die Geschichte passiert ist, bevor wir uns
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