Tolle Maenner
kennen gelernt haben. Und weil sie nicht lange gedauert hat«, erklärte Tracie. »Earl war intelligent und sah gut aus. Und die ganze Zeit hat er mir erzählt, wie schön ich bin. Dass ich für ihn so schön sei wie seine Exverlobte – die faszinierende Frau, die ihm das Herz gebrochen hat.«
»Und dann?«
»Und dann, nachdem er mich so richtig eifersüchtig gemacht hatte, sehe ich doch bei ihm in der Wohnung auf einem Bücherregal mit der Vorderseite nach unten dieses Foto von einem fetten, hässlichen Mädchen. Ich frage ihn, ob das seine Schwester oder Cousine oder so was sei, und er antwortet mir doch glatt, das sei Jennifer, seine Exverlobte. Wenn der die schön fand, war seine Meinung von mir keinen Schuss Pulver wert. Deshalb hab ich mich von ihm getrennt.«
»Tracie, du spinnst. Vermutet hab ich das schon immer, aber jetzt bin ich mir ganz sicher.«
»Jon, ich weihe dich in Geheimnisse ein, für die manche Männer Hunderttausende von Dollar zahlen würden. Das sind genau die Sachen, die Frauen besprechen, wenn sie zusammen zur Toilette gehen. Wenn du das erst alles weißt, kannst du im ganzen Land schöne Frauen verführen und dann verlassen. Vielleicht sogar auf der ganzen Welt«, erklärte Tracie.
»Du forderst mich also auf, Frauen absichtlich weh zu tun.«
»O Jon, das ist doch nur ein Aspekt«, erklärte sie weiter. »Genau
danach suchen sie doch. Und eines Tages werden sie dann erwachsen und merken, dass sie lieber einen Mann wollen, der sie anständig behandelt.«
Tracie fragte sich, wann dieser Tag wohl für sie kommen würde. Dann dachte sie wieder an Oralsex und die anderen sensiblen Themen, die sie noch zur Sprache bringen wollte, aber sie konnte sich einfach nicht dazu durchringen. Es reichte jetzt einfach. Wer weiß?, sagte sie sich, vielleicht ist Jon ja ganz gut im Bett. Zumindest war er ein sensibler Kerl. Das Problem war nur, dass er seine Jungfräulichkeit wahrscheinlich erst vor ein paar Jahren verloren hatte. Vielleicht sollte sie ihn einfach danach fragen. Sie führte die letzte Gabel Hackbraten zum Mund. »Hmm«, brummte sie, kaute und schluckte ein letztes Mal. »Darf ich dich mal was fragen? Wer war eigentlich deine erste Freundin?«
»Meinst du meine erste richtige Geliebte oder das erste Mädchen, das mir gefallen hat?«
»Deine erste richtige Geliebte«, erklärte sie.
»Myra Fisher.«
»An eine Myra Fisher kann ich mich gar nicht erinnern.«
»Du kanntest mich damals ja auch noch nicht. Das mit Myra war in der achten Klasse.«
Ihr klappte die Kinnlade herunter. »Achte Klasse!« Er musste sie falsch verstanden haben. »Nein, ich meine doch die erste, mit der du richtig geschlafen hast.«
»Also richtig geschlafen habe ich mit Myra erst bei der Klassenfahrt in der neunten. Aber rumgefummelt haben wir in ihrem Haus auch schon in der achten und in den Sommerferien zwischen der achten und der neunten.«
»Davon hast du mir ja noch nie erzählt!«
»Ich glaube kaum, dass es angemessen wäre, über das zu reden, was du wahrscheinlich ›meine Eroberungen‹ nennen würdest«, sagte er. »Das ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Ich spreche einfach nicht gern darüber.«
»Mit niemandem?«
»Nein. Ich meine, das tut man doch einfach nicht, oder?«
»Äh, eigentlich nicht«, log sie und hoffte, dass ihre Nase nun nicht anfing zu wachsen. Sie musterte Jon und begann, sich ganz neue Fragen zu stellen. »Moment mal«, sagte sie. »Das große Mädchen im College, die mit den ganz langen Haaren...«
»Hazel«, sagte er. »Hazel Flagler.«
»Genau. Habt ihr beide auch...?«
»Klar«, sagte er.
»Das hast du mir ja nie erzählt!« Jetzt war Tracie echt schockiert.
»Was dachtest du denn, was ich mir ihr gemacht habe? Schach gespielt haben wir sicher nicht«, sagte Jon.
»Das hast du mir nie erzählt«, wiederholte Tracie und fragte sich, wie viele Beziehungen es noch gab, die er ihr verschwiegen hatte.
»Tracie, während ich aufgewachsen bin, habe ich ständig Frauen darüber klagen hören, wie mies die Männer sich benehmen. Ich habe gesehen, wie mein Vater sich benommen hat. Glaubst du nach all dem im Ernst, dass ich erst mit einer Frau schlafen und mich dann vor anderen darüber auslassen würde?«
»Aber Jon, wir sind doch keine Figuren aus einem viktorianischen Roman. Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert! Hast du nie Friends gesehen? Oder Wiederholungen von Seinfeld ? Bei Jerry Springer beichten Frauen, dass sie mit ihrem Bruder geschlafen
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