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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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antwortete der Lakai.
    »Ist sonst noch was?«, fragte T., als er bemerkte, dass der Lakai zögerte.
    »Sie werden schon erwartet. Der Herr, der am Abend kommen sollte. Anscheinend ist er nervös. Soll ich ihn abweisen?«
    T. setzte sich im Bett auf und ließ die Beine baumeln.
    »Was für ein Herr?«, fragte er. »Der Detektiv?«
    Der Lakai nickte.
    »Aber warum ist er so früh?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Gut«, sagte T. »Lass ihm ausrichten, ich empfange ihn zum Frühstück, sobald ich mich gewaschen habe.«
    Eine Viertelstunde später, als T. in einem mit Quasten besetzten Morgenrock aus goldfarbener Seide beim Kaffee saß, betrat der Besucher das Zimmer. Es war ein Herr in einem graugrünen Rock, der eine leichte Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Knopf hatte (oder vielmehr mit einem älteren Bruder von ihm – er war schon recht bejahrt).
    »Bitte nehmen Sie Platz … ehem …«, sagte T. und deutete auf den Stuhl ihm gegenüber.
    Bei ihrer ersten Begegnung hatte sich der graugrüne Herr als Serafim vorgestellt, aber T. war nach Möglichkeit bemüht, die Engel nicht durch Verwendung dieses Pseudonyms zu beunruhigen, und behalf sich mit undeutlichen Lauten und Pronomina.
    Der Gast setzte sich, nahm die Melone vom Kopf und legte sie auf sein Knie.
    »Ich habe Sie erst heute Abend erwartet«, sagte T. »Was ist passiert?«
    »Gestern habe ich bemerkt, dass ich beschattet werde.«
    »Aha«, bemerkte T. ungerührt. »Was kann das zu bedeuten haben?«
    »Nichts Gutes«, erwiderte der Graugrüne, »Oberprokurator Pobedonoszew, über den ich in Ihrem Auftrag Informationen einhole, gehört zur obersten Schicht der staatlichen Bürokratie. Ich vermute, dass sich die Dritte Abteilung mittlerweile für die Vorgänge interessiert. Möglicherweise denken sie, die Nihilisten könnten einen terroristischen Anschlag vorbereiten.«
    »Ist das der einzige Grund, weshalb Sie so früh auf den Beinen sind?«, fragte T.
    »Nein«, antwortete der graugrüne Herr. »Aber es hat sich ein aufschlussreicher Sachverhalt ergeben, und ich wollte Sie warnen.«
    »Worum geht es?«
    »Sie haben heute Vormittag ein Treffen mit dem mongolischen Medium Dschambon Tulku. 53 Ich konnte nun nachweisen, dass er ebenfalls in einer Beziehung zu Pobedonoszew steht.«
    »Mein Herr«, erwiderte T. stirnrunzelnd, »ich habe Sie beauftragt, Informationen über Pobedonoszew zu sammeln, aber nicht, mir hinterherzuspionieren.«
    Der graugrüne Herr lächelte.
    »Das lässt sich bei unserer Arbeit manchmal nicht vermeiden«, sagte er. »Wir überprüfen die Kontakte von Personen, über die wir Informationen sammeln, und gelegentlich auch die Kontakte dieser Kontakte. Ich hätte das nicht unbedingt erwähnen müssen, aber ich dachte, es würde Sie interessieren. Besonders, wenn ich Sie vor Ihrer Begegnung mit dem Medium unterrichte.«
    T. nickte.
    »Eins nach dem anderen«, sagte er. »Fangen wir mit dem Wichtigsten an. Haben Sie herausgefunden, worum ich Sie gebeten habe?«
    Der graugrüne Herr zog ein mehrfach zusammengelegtes Blatt Pauspapier aus der Rocktasche, faltete es auseinander und legte es auf den Tisch.
    »Was ist das?«, fragte T.
    »Ein Plan des Hauses, in dem Pobedonoszew wohnt. Die Straßen sind beschriftet, aber hier, in der Ecke, steht sicherheitshalber auch die genaue Adresse – wenn Sie plötzlich eine Droschke nehmen wollen. Die Wohnung befindet sich im fünften Stock, sie ist mit einem Kreuz gekennzeichnet. Merken Sie sich – der Hintereingang ist mit Brettern vernagelt, man kann nur über die Haupttreppe hinein und hinaus.«
    »Und was sind das für rote Kreise und Linien?«
    »Die Kanalisationsluken und ein Schema der Kanalisation. Sehen Sie, direkt beim Eingang gibt es eine Luke. In der Gegend ist das Tunnelnetz sehr verzweigt, die reinsten Katakomben. Eine wunderbare Rückzugsmöglichkeit nach einem Attentat.«
    »Gnädiger Herr, wie kommen Sie darauf, dass es um ein Attentat geht?«, fragte T.
    »Entschuldigen Sie«, sagte der Graugrüne verlegen. »Das ist mir so herausgerutscht.«
    »Wird das Haus bewacht?«
    »Das Haus nicht. Aber der Oberprokurator steht unter dem Schutz bewaffneter Mönche, die zur selben Geheimgesellschaft gehören wie er. Sie haben eine Art Kaserne im Nebenhaus – falls etwas ist, ruft er an, und schon sind sie zur Stelle. Dafür musste …«
    »Das ist egal«, unterbrach ihn T. »Konnten Sie herausfinden, was für eine Geheimgesellschaft das ist?«
    Der graugrüne Herr lächelte angewidert und

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