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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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herausgebracht«, erwiderte Pobedonoszew. » Wie man einen Aristokraten verführt und Wie man ein Genie verführt . Die liest ganz Petersburg. Obwohl natürlich niemand glaubt, dass sie sie selbst geschrieben hat. Das dritte erscheint auch demnächst: Mein Leben mit Graf T.: Höhenflüge, Niedergänge und die Katastrophe. Die Ankündigungen hängen schon überall.«
    T. packte Dostojewski am Ärmel, als suchte er Halt. Sofort griff Pobedonoszew nach Dostojewskis anderem Arm, und gemeinsam zogen sie ihn in den Salon – Pobedonoszew ging rückwärts, sein lächelndes Gesicht T. zugewandt, welcher einen Moment lang das eigenartige Gefühl hatte, sie würden den schweigenden Dostojewski wie zwei Lastträger feierlich in die Tiefe der Wohnung tragen.
    Der Salon wirkte einfach, fast asketisch. An der einen Wand stand ein Diwan, daneben ein großer ovaler Tisch mit einer himbeerroten samtenen Tischdecke. Darauf schimmerten eine Karaffe mit Wodka, geschliffene Gläser und Teller mit Wurst und Käse. Auf der anderen Seite waren einige Stühle und Sessel an den Tisch geschoben, und diese Anordnung der Möbel wirkte irgendwie flatterhaft und studentisch. Ein wuchtiger Glasschrank fiel ins Auge – sein Inhalt war hinter dichten weißen Scheibenvorhängen verborgen. Am Fenster stand noch ein Schemel, weitere Einrichtungsgegenstände gab es nicht.
    »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Pobedonoszew. »Ich lasse Sie für einen Augenblick allein – ich muss in einer wichtigen Angelegenheit telefonieren.«
    Er wandte sich um und ging hinaus in den Korridor. Bald darauf verstummte der Phonograph.
    Dostojewski setzte sich auf den Diwan und warf T. von der Seite her einen Blick zu.
    »Wer ist denn Axinja?«, erkundigte er sich. »Ihre Gemahlin?«
    »Es gab da einen Vorfall in Kowrow«, erwiderte T. mürrisch, während er im Salon auf und ab ging. »Das habe ich nicht erwähnt, als ich Ihnen alles erzählte. Ich begreife bloß nicht, wie sie hierherkommt. Das ist doch sehr verdächtig …«
    Dostojewski gab keine Antwort.
    Er war merkwürdig verändert – wenn er ein paar Worte gesagt oder eine leichte Bewegung gemacht hatte, verharrte er lange Zeit reglos mit strenger, nachdenklicher Miene, als hielte ihn ein heimlicher Gedanke in seinem Bann. Dabei war er bemüht, sein Gesicht so zu drehen, dass T. ihn immer von vorn sah – wie eine junge Dame, die weiß, aus welcher Perspektive sie am anziehendsten aussieht, und ständig versucht, sich in ebendieser Position zu zeigen.
    Bald darauf kehrte Pobedonoszew in den Salon zurück.
    »Nehmen Sie doch am Tisch Platz, Graf. Wenn Sie immer so hin und her laufen, wird einem ja ganz schwindlig …«
    T. setzte sich in einen Sessel am Tisch.
    »Wieso machen Sie so ein trauriges Gesicht?«, fuhr Pobedonoszew fort. »Verzagtheit ist eine Todsünde. Erzürnen Sie den Schöpfer nicht.«
    »Graf T. bedarf keiner derartigen Ratschläge«, sagte Dostojewski lächelnd. »Wissen Sie, er war persönlich bekannt mit dem Schöpfer, aber er hat das Interesse an ihm verloren. Jetzt ist er selbst der Schöpfer seiner Welt.«
    »Tatsächlich?« Pobedonoszew hob die Augenbrauen. »Und wie ist dann seine Anwesenheit in diesem Raum zu erklären?«
    »Der Graf meint«, erläuterte Dostojewski mit einem rachsüchtigen Blick auf T., »dass er zum gegenwärtigen Zeitpunkt in einer wüsten Leere schwebt und sich selbst denkt. Und alles andere wird von verschiedenen Teufeln erdacht – dieser Raum ebenso wie Sie, Konstantin Petrowitsch, und selbst der Nebel draußen.«
    »Ach, so ist das«, bemerkte Pobedonoszew. »Nun ja, derartige Ansichten sind heutzutage keine Seltenheit. Ich beginne gerade mit der Arbeit am zweiten Band meiner Vergeblichkeit der unreinen Vernunft – ein theologisches Traktat, dem ein Verzeichnis der neuesten Sekten beigefügt ist. Wenn die Ansichten des Grafen eine gewisse Originalität enthalten, werde ich ihm mit Freuden einen Platz zwischen Talmudismus und Tripglaube einräumen.«
    »Tripglaube?«, fragte Dostojewski verwundert. »Was ist denn das schon wieder, Konstantin Petrowitsch?«
    »Ein Aberglaube aus Äthiopien, der bei Petersburger Schwindlern sehr verbreitet ist. Sie haben sie bestimmt schon gesehen, sie tragen ein ägyptisches Kreuz in Form des Buchstabens ›T‹, das ihrer Meinung nach die ›Troiza‹, also die Dreieinigkeit, symbolisiert und gleichzeitig das Wort ›Trip‹. Ich habe mir beinahe den Mund fusslig geredet, um diesen Leuten zu beweisen, dass der Dienst an Gott und das

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